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François Hollande (links) tritt nicht erneut für die Sozialisten als Präsidentschaftskandidat an. Premier Valls (Mitte) oder Ex-Wirtschaftsminister Macron (rechts) könnten übernehmen.

Foto: AP / Remy de la Mauviniere

Seine Stimme war sanft, ganz ohne eine präsidiale Pose. François Hollande gab sich am Donnerstagabend nicht autoritär, sondern geschlagen. "Ich weiß um die Risiken meiner Bewerbung, die nicht genug Unterstützung finden würde", sagte der 62-jährige Sozialist. "Deshalb habe ich beschlossen, bei der Präsidentschaftswahl nicht zu kandidieren."

Ironie eines traurigen Schicksals: Sein Verzicht ist vielleicht Hollandes stärkster Entscheid in fünf Amtsjahren, die durch Zaudern und Lavieren gekennzeichnet waren. Ohne jede Regierungserfahrung 2012 in den Élysée-Palast katapultiert, weil der Favorit Dominique Strauss-Kahn über eine Sexaffäre gestolpert war, erwies sich Hollande bald als der schwächste Staatschef der 1958 gegründeten Fünften Republik.

Allen Umfragen zufolge ist er auch der unpopulärste – und jetzt der erste, der nach einer Amtszeit kampflos abtritt. Gründe für Hollandes Scheitern gibt es viele – scheinbar nebensächliche, wie seine nächtlichen Motorradausfahrten zu seiner Geliebten, aber auch sehr gewichtige wie die Zunahme der Arbeitslosigkeit. Sie stieg seit Hollandes Amtsantritt von 4,4 auf 5,5 Millionen Jobsuchende. Kein Trost ist es, dass die Zunahme unter Vorgänger Nicolas Sarkozy (von 3,2 auf 4,4 Millionen) ähnlich stark war.

Sarkozys Wiederwahlträume hatten die konservativen Parteiwähler bereits vor zwei Wochen zerbröseln lassen. Es ist wohl kein Zufall: Die zwei ehemaligen Präsidenten Frankreichs, die seit der Wahl 2012 noch eine Rechnung offen hatten und liebend gerne gegeneinander angetreten wären, sind nun binnen kürzester Zeit aus dem Rennen geschieden.

Abgang der Platzhirsche

Am Freitagmorgen wachten die Franzosen plötzlich ohne die beiden Platzhirsche der Pariser Politik auf. Fast scheint es, dass nach der US-Wahl auch in der französischen Politik kein Stein auf dem anderen bleibt. Mit François Fillon haben die Konservativen Ende November einen Thatcher-Fan aus dem Hut gezaubert. Und wenn die EU-Gegnerin und Vorsitzende des rechtsnationalen Front National Marine Le Pen im Mai 2017 in den Élysée-Palast einzöge, ginge das Politbeben weit über Frankreich hinaus.

Im ersten Präsidentschaftswahlgang im April 2017 käme Le Pen laut einer neuen Umfrage auf 24 Prozent, der Konservative Fillon auf 28 Prozent. Abgeschlagen folgen die Linkskandidaten Emmanuel Macron mit 13 Prozent, Jean-Luc Mélenchon mit zwölf Prozent und Premier Manuel Valls mit 9,5 Prozent. Der zum rechten Parteiflügel der Sozialisten zählende Regierungschef Valls hatte schon vor Hollandes Verzichtserklärung posaunt, er sei "bereit". Er weiß aber auch, dass er als Regierungschef seit März 2014 mitverantwortlich ist für Hollandes schwache Amtsführung. "Es waren fünf Jahre Fortschritt für Frankreich und die Franzosen", sagte Valls deshalb in einer Reaktion auf Hollandes Verzicht. Da er als Premier bei einer Kandidatur zurücktreten müsste, zögert Valls die Bekanntgabe hinaus. Bis zum 15. Dezember muss aber auch er statutengemäß angeben, ob er bei den Primärwahlen der französischen Sozialisten antreten wird. Eine mögliche Einheitskandidatur der Linken, die sogenannte "Belle Alliance Populaire", war an sich auf Hollande zugeschnitten worden und hat nun ein Glaubwürdigkeitsproblem: Weder Macron noch Mélenchon und auch nicht der Grünen-Kandidat Yannick Jadot wollen sich daran beteiligen. Die gemeinsame Kandidatur der Linken – und auch der Einzug in die präsidiale Stichwahl – erscheint damit illusorisch.

Die Gegner des linken Parteiflügels geben Hollande die Schuld an der Zerstrittenheit. Der Graben zwischen sozialliberalen Proeuropäern (Hollande, Valls, Macron) und Austeritäts- und Freihandelsgegnern (Mélenchon, Jadot, Arnaud Montebourg) ist aber älter.

Feindschaften, Differenzen

Alle wissen, dass sie nur vereint eine Chance hätten, Le Pen aus der Stichwahl zu kippen. Valls rechnet sich die besten Chancen auf die Nominierung durch die "Belle Alliance" aus. Mit Macron verbindet ihn allerdings eine erbitterte Feindschaft, mit Mélenchon eine unüberwindbare politische Differenz. Wie sich die drei bis zu den Präsidentenwahlen zusammenraufen wollen, weiß niemand. Klar ist, dass sie ohne Absprache nur die Wahl zwischen einem Rechtsliberalen und einer Rechtspopulistin haben werden. (Stefan Brändle aus Paris, 2.12.2016)