Die Vorderseite (Horizontalgestaltung) des Kunstwerkes von Arnulf Rainer aus dem Jahr 1951.

Foto: Dorotheum

Die Rückseite (Vertikalgestaltung), die sich noch im Besitz der Galerie Hummel befindet.

Foto: Galerie Kovacek Spiegelgasse

Wien – Am Dienstag gelangt im Dorotheum ein Gemälde Arnulf Rainers zur Auktion, das hinter den Kulissen für Diskussionen sorgt. Nicht aufgrund von Zweifeln an der Echtheit, sondern wegen des Zustandes, der nicht mehr als original gilt. Denn die Zentralgestaltung auf Karton aus dem Jahr 1951 war ursprünglich beidseitig bemalt, nun ist sie das quasi nicht mehr, wie ein Vorbesitzer den STANDARD telefonisch informierte.

Recherchen bestätigen, dass der Bildträger gespalten wurde. Eine Maßnahme, die im Kunsthandel selten aber doch üblich ist, da für zwei separate Werke mehr Gewinn erzielbar ist. Noch im Herbst vergangenen Jahres war die zuletzt in Wiener Privatbesitz beheimatete Zentralgestaltung in ihrem Originalzustand. Und sie war der Blickfang der Galerie Kovacek Spiegelgasse bei der Viennafair-Kunstmesse: präsentiert auf einem Podest in einem eigens angefertigten Rahmen, der eine beidseitige Betrachtung ermöglichte.

Während der Vernissage erwarb es Philipp Konzett. 250.000 Euro habe er bezahlt, ein angemessener Wert angesichts der Besonderheit, da dieses Werk sowohl eine Horizontal- (Vorderseite) als auch eine Vertikalgestaltung (Rückseite) vereinte. Er trat es im Juli an Julius Hummel ab, der es sodann "halbieren" ließ. Auf Anfrage reagiert der Galerist etwas unwirsch. Die Sache sei klar, die Arbeit sei auf beiden Seiten signiert, also handle es sich um zwei Kunstwerke, rechtfertigt er die Spaltung.

Dabei birgt diese Maßnahme ein erhebliches Risiko, die Bandbreite reicht von Sprüngen in der Farbschicht und Abplatzungen bis hin zu Durchstoßungen der Bildoberfläche. Laut des Zustandsberichts des Dorotheums weist die Vorderseite "über die Arbeit verteilt" mehrere Farbabsprünge auf, teils über eine Länge von vier Zentimeter. Im Zentrum der Zentralgestaltung findet sich eine Absplitterung, die jedenfalls jüngeren Datums ist.

Detail: Links der Zustand im Herbst 2015, rechts aktuell. Die Absplitterung dürfte im Zuge der Spaltung des Bildträgers erfolgt sein.
Foto: Galerie Kovacek Spiegelgasse, Dorotheum

Juristisch ist die Sache denkbar einfach, wie Rechtsanwalt und Sammler Ernst Ploil erklärt: "Ohne Einwilligung des Künstlers ist eine solche Trennung nicht zulässig, da es sich um eine maßgebliche Veränderung des Werkes handelt, die als Eingriff in das Urheberrecht des Künstlers gilt" .

Nein, Arnulf Rainer wurde nicht gefragt, bestätigt seine Frau Hannelore Dietz. Auch hätte man einem solchen barbarischen Akt niemals zugestimmt, da Rainer das Werk als Einheit betrachtet, vergleichbar mit einem Diptychon. Aus rechtlicher Sicht "hat der Künstler Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes", also darauf, dass die Bildhälften wieder fusioniert werden, betont Ploil.

Andernfalls könnte Arnulf Rainer untersagen, dass die veränderte Zentralgestaltung als seine Arbeit präsentiert wird. Damit entzieht der Urheber dem Werk die Anerkennung. Ob dies im Falle des gegenständlichen Bildes erfolgen wird, ist derzeit noch ungewiss.

Fakt ist, dass die nachweisliche Wertminderung im Kontrast zu dem vom Dorotheum festgelegten Schätzwert steht: Dem als "Privatsammler" deklarierten Galeristen Julius Hummel wurden für die eine Bildhälfte zumindest 190.000, wenn nicht 230.000 Euro in Aussicht gestellt. (Olga Kronsteiner, 21.11.2016)