Marieke Wijne-Slop erzeugt Schokolade von der Bohne bis zur Tafel.

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In der kleinen Gemeinde Staatz im nördlichen Weinviertel steht neben alten Bauernhäusern und Weinkellern eine alte Scheune, die von außen unscheinbar wirkt, in ihrem Inneren aber eine olfaktorische und geschmackliche Überraschung bereithält. Bei jedem Schritt in Richtung Eingang werden die süßen Röstaromen von Kakaobohnen intensiver und lassen bereits erahnen, was sich hinter der riesigen Glastür verbirgt – auch wenn eine Schokoladenmanufaktur das Letzte ist, womit man hier rechnet.

Am Fuße der Staatzer Burgruine hat sich die Niederländerin Marieke Wijne-Slop vor einigen Jahren mit ihrem Mann Emile niedergelassen, um ihre eigenen Schokoladen und Pralinen herzustellen. Die alte Scheune, die sie durch Zufall entdeckten, wurde zu einer Manufaktur mit kleinem Café umgebaut, die man als Ortsunkundiger nicht sofort findet. Lediglich ein kleines Hinweisschild auf der Straße leitet einen in das Schokoparadies mitten im größten Weinanbaugebiet Österreichs.

Von außen sehen die meisten Schokoladen gleich aus. Bei den inneren Werten gibt es gravierende Unterschiede.
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Für Marieke Wijne-Slop ist der Standort im Weinviertel gar nicht so ungewöhnlich. "Es passt irgendwie, weil Wein sehr viel Ähnlichkeit mit Schokolade hat. Beides ist von ganz vielen Faktoren abhängig. Das beginnt bereits beim Anbau der Kakaopflanze. Neben der Bohnensorte spielen auch Boden, Klima und die Verarbeitung eine wesentliche Rolle. Richtige Schokolade ist ein Naturprodukt. Mein Ziel war es zu zeigen, wie unterschiedlich Schokolade schmecken kann", sagt die Unternehmerin.

Qualitätsunterschiede

Wie eine fertige Schokolade schmeckt, hängt unter anderem von der Wahl der Kakaobohne ab. Drei Sorten gibt es: Forastero, die am häufigsten verwendete Bohne; Criollo, die Edelkakaobohne – sie macht gerade einmal fünf Prozent der Welternte aus; und Trinitario, eine Kreuzung aus Forastero und Criollo. Und da gibt es noch Nacional Arriba in Ecuador, eine Bohne, die genetisch gesehen eine Forastero ist, der aber feinere Aromen nachgesagt werden. Bis die Bohne beziehungsweise die gemahlene Kakaomasse beim Schokoladenhersteller ist, dauert es aber.

Richard Hofer, der während seiner Weltreise durch Zufall auf einer Kakaofarm in Bahia (Brasilien) gelandet ist, kennt die Verarbeitungsschritte, die notwendig sind, bis die Kakaobohne transportfähig ist. Er importiert Bohnen und Kakaomasse aus der ganzen Welt und verkauft sie in Österreich. "Mich hat es fasziniert, von der Ernte weg bis zum fertigen Kakao den kompletten Weg zu verfolgen. Die Kakaofrüchte werden geerntet. Danach schlägt man sie mit einer Machete auf.

Die Bohnen werden mit dem Fruchtfleisch herausgelöst und zur Farm gebracht. Auf der Farm werden die Kakaobohnen in großen Holzkisten fermentiert. Beim Fermentieren entstehen bis zu 50 Grad. Man muss die Bohnen regelmäßig umschichten. Das dauert ein paar Tage. Danach werden die Bohnen in der Sonne getrocknet. Nur so überstehen sie den langen Transport. Meine Bohnen werden direkt auf der Farm geröstet und per Hand geschält", sagt Hofer.

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Bis die Bohne beim Hersteller ist, dauert es.
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Auf und ab

Doch eine gute Bohne macht noch lange keine gute Schokolade. Die Kunst besteht unter anderem darin, die Kuvertüre so zu temperieren, dass sich am Ende die fertige Schokolade gut aus der Form lösen lässt, eine glatte Bruchkante aufweist und eine glänzende Oberfläche hat. Dazu wird sie in der Regel zuerst auf 45 Grad erhitzt, um danach auf rund 28 Grad abzukühlen. Es gibt mehrere Methoden, um die Schokolade abzukühlen. Viele Hersteller wenden die sogenannte Impfmethode an: Dabei mischt man Schokoladelinsen unter die geschmolzene Schokolade, bis sie abkühlt.

Marieke Wijne-Slop macht es mit der Tabliermethode. Sie gießt einen Teil der flüssigen Schokolade auf eine Marmorplatte und bearbeitet sie mit einer Spachtel, bis sie die gewünschte Temperatur erreicht hat. Danach wird sie wieder zur restlichen Schokolade gegeben und noch einmal auf rund 32 Grad erwärmt. Diese Prozedur ist notwendig, damit die Kakaobutter in einer stabilen Form kristallisiert – nur so kann ein perfektes Ergebnis erzielt werden.

Beim Tablieren wird flüssige Schokolade auf eine Marmorplatte gegossen und mit einer Spachtel bearbeitet, bis die gewünschte Temperatur erreicht ist.
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Je weniger Zutaten, umso besser

"In guter dunkler Schokolade sollte nichts außer Kakaomasse und Zucker enthalten sein. Das kann Rohrzucker oder Kokosblütenzucker sein. Generell gilt: je weniger Zutaten, desto besser", sagt Thomas Kovazh, der in Wien-Neubau das Schokoladengeschäft Schokov betreibt und mit seinen Bioschokoladenkreationen bereits mehrere Preise gewonnen hat. Seine neueste Kreation, Wacholder und Tannennadeln, will er wieder bei den International Chocolate Awards einreichen, und er rechnet sich gute Chancen aus. Kovazh verwendet – wie die meisten Hersteller – Schokoladenmasse für seine handgemachten Schokoladen.

Es gibt nur wenige Hersteller, die sogenannte Bean-to-Bar-Schokolade herstellen. Das hat mehrere Gründe. Diese Art der Schokoladenherstellung ist wesentlich aufwendiger und mit Risiken verbunden. "Der direkte Handel mit Kakaofarmen ist die Königsdisziplin. Sehr viel basiert auf Handschlagbasis.

Da muss man sich vertrauen können. Wenn man zwei Tonnen schadhaften Kakao geliefert bekommt, wird es schwierig, ihn wieder zurückzuschicken. Bio und Fairtrade sind zwar gut, aber es gibt Farmen, die wesentlich biologischer arbeiten als zertifizierte, sich eine Bio-Zertifizierung aber nicht leisten können. Gute Schokoladenhersteller kennen ihre Kakaobauern und wissen, wie sie arbeiten", sagt Hofer.

Der Schokoshop in Staatz im Weinviertel.
Foto: Alex Stranig

Handwerk

Marieke Wijne-Slop hat sich als eine der ersten österreichischen Kleiproduzentinnen und Produzenten vor einem Jahr dazu entschlossen, Schokolade von der Bohne weg zu erzeugen. Dabei werden die Kakaobohnen, die bereits fermentiert und getrocknet sind, geröstet, gehackt und anschließend von der Schale getrennt. Danach mahlt sie die Kerne zu einem feinen Pulver, bevor sie in einer Maschine mit Granitwalzen so lange gerieben werden, bis durch die dabei erzeugte Wärme dickflüssige Schokolade entsteht. Dieser Vorgang dauert bis zu drei Tage. Erst jetzt wird der Schokolade Zucker beigemengt.

Neben der Leidenschaft für die Kunst der Schokoladenherstellung ist es eine ordentliche Portion Idealismus, die Wijne-Slop antreibt. "So, wie wir hier im Weinviertel kleine Winzerfamilien unterstützen, die mit viel Liebe und Handarbeit tollen Wein herstellen, wollen wir das mit den Kakaobauern machen. Das sichert auch das Bestehen von Edelkakao für nächste Generationen", sagt die Schokoladenherstellerin.

Handgemachte Schokolade von Schokov.
Foto: Alex Stranig

Viele Großhersteller arbeiten mit künstlichen Aromen

Da könnten sich die großen Tafelerzeuger eine Rippe abbrechen, weiß auch Georg Bernardini. Der deutsche Konditor und Autor hat für sein Buch "Schokolade – Das Standardwerk" weltweit rund 4000 Schokoladen verkostet. Das Ergebnis sei teilweise ernüchternd gewesen. "Was mich bei meinen Recherchen wirklich geärgert hat, war, dass so viele Großhersteller noch immer mit künstlichen Aromen arbeiten. Dafür habe ich einfach kein Verständnis. Vanille ist natürlich teuer als Vanillin. Wenn aber alle Hersteller an einem Strang ziehen und gute Inhaltsstoffe verwenden würden, wird die Schokolade zwar um ein paar Cent teurer, die Konsumenten würden es ihnen aber danken und sie trotzdem kaufen.

Ich habe Produkte getestet, in denen teilweise bis zu 59 Prozent Zucker enthalten waren. Selbst würde ich nie eine Schokolade kaufen, die mehr als 40 Prozent hat. Es gibt große Marken, die minderwertige Qualität produzieren, aber trotzdem sehr beliebt sind bei Kunden. Wahrscheinlich hat man über Jahrzehnte den Geschmack auf diese Produkte geschult und weiß nicht mehr, wie gute Schokolade schmecken soll", sagt Bernardini.

Schokolade ist nicht gleich Schokolade.
Foto: apa/afp/achambault

Die besten Schokoladenhersteller gebe es nicht, wie fälschlicherweise behauptet, in Belgien, sondern in den USA. "Ich kenne in Amerika mindestens 50 Hersteller, die großartige Schokolade machen. Österreich ist mit Zotter natürlich auch ganz vorne mit dabei. Die Innovationskraft, die in diesem Unternehmen steckt, ist enorm. Zotter ist für mich unter den fünf Topherstellern weltweit."

Josef Zotter stellt auch Bean-to-Bar-Schokolade her – natürlich in größeren Mengen als Wijne-Slop. Seinen Kakao dafür kauft er direkt bei den Bauern ein und zahlt ein Vielfaches vom Weltmarktpreis. "Es gibt immer mehr Schokoladenhersteller, die solche Preise für Bohnen zahlen. Das ist für die Bauern interessant. Die Industrie wird auch irgendwann umdenken. Ich glaube, dass in einigen Jahren auch industrielle Großunternehmen bessere Qualität liefern werden", ist Bernardini überzeugt. Möge er mit seiner Prognose recht behalten. (Alex Stranig, RONDO, 18.11.2016)