Im September hielten die Ärzte der Wiener Spitäler einen Warnstreik ab, nun brodelt es neuerlich.

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Wien – Der Friede zwischen den Wiener Ärzten beziehungsweise medizinischem Personal auf der einen und dem Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) auf der anderen Seite hat nicht lange gehalten. Erst im Oktober hatten die mit der Arbeitszeitumstellung unzufriedenen Wiener Spitalsärzte nach heftigen Auseinandersetzungen endgültig von einem Streik abgesehen – und schon gibt es wieder Aufregung.

Am Mittwoch haben die Personalvertretung der Wiener Gemeindebediensteten (Hauptgruppe zwei) beziehungsweise die Vorsitzenden der jeweiligen Gewerkschafts-, Dienststellen- und Personalgruppenausschüsse der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter (FSG) dem Vorstand des KAV unter Udo Janßen in einer Mail ihre Kooperationsbereitschaft für diverse Projekte aufgekündigt, zum Beispiel jene für den "laufenden Transformationsprozess". Und: Der Vorstand könne "in keinem dieser Projekte auf eine Zustimmung der Interessenvertretung verweisen oder gar hoffen".

Handschlagqualität wird vermisst

Grund für die Empörung sind Überlegungen, wonach der KAV – er ist ein per Verordnung gegründeter Wirtschaftskörper der Stadt Wien, gehört zum Wiener Magistrat und hat keine eigene Rechtspersönlichkeit – in eine neue Rechtsform gebracht werden könnte. Die Personalvertreter "erfüllt es mit Wut, dass sie über einen solch zentralen Schritt ... nur aus dritter Hand" erführen, woraus folge, "dass die Basis für die bisherige Form der Zusammenarbeit fehlt", man "vermisst Handschlagqualität".

Der KAV, der rund 30.000 Mitarbeiter in elf Wiener Spitälern, acht Pflegewohnhäusern und ähnlichen Einrichtungen beschäftigt, wechsle "ständig seine Zielvorgaben", ihm fehle eine "verlässliche und langfristige Strategie", was zu Unsicherheit und Unruhe führe, heißt es in dem zweiseitigen Schreiben.

Die Gewerkschafter fahren schwere Geschütze auf: "Es entsteht der Eindruck, man wolle als öffentlicher Gesundheitsvorsorger womöglich bewusst scheitern, um so eine Begründung für eine etwaige Änderung der Rechtsform vorliegen zu haben."

Keine Stellungnahme

Tatsächlich gibt es in der Gemeinde Wien derartige Überlegungen, getragen wird die Idee von der Finanzverwaltung, das Gesundheitsressort unter Sonja Wehsely (SPÖ) sei mehr oder weniger außen vor, heißt es. Aus dem von Stadträtin Renate Brauner (SPÖ) geführten Finanzressort war keine Stellungnahme zu erhalten. Das Gesundheitsressort der Stadt (Wehsely) verwies nur auf dessen Zuständigkeit. Der KAV (er ist kein selbstständiges Unternehmen im privatrechtlichen Sinn; seine Mitarbeiter sind Mitarbeiter der Stadt Wien) könnte demnach wirklich ausgegliedert und zu einer Holding umgestaltet werden.

"Man kann die heutige Rechtsform weiterentwickeln", bestätigt ein Involvierter auf Frage des STANDARD, betont aber, dass "die Überlegungen noch nicht ausgereift sind, wir erarbeiten erst ein Konzept". Struktur- und Bewertungsfragen seien beispielsweise noch offen – und von Letzteren gibt es bei einer rechtlichen Umstrukturierung des KAV jede Menge. Eine Holding bräuchte eine Eröffnungsbilanz, jedes Spital, jede Immobilie, jedes Vermögensteilchen müsste also bewertet werden. Eine langwierige Aufgabe, nicht nur angesichts der Tatsache, dass fast die Hälfte der Wiener KAV-Spitäler unter Denkmalschutz stehen.

KAV verweist auf Politik

Ein KAV-Sprecher bestätigt, dass es Vorschläge zur Ausgliederung gibt, die Entscheidung sei aber Sache der Eigentümerin, also der Stadt Wien. Das KAV-Management habe keinen Auftrag, sich mit einer Ausgliederung zu beschäftigen.

Allerdings stößt die Ausgliederungsidee in der Wiener Stadtregierung durchaus auch auf Ablehnung. Die Grünen etwa meinen, Reformen und Einsparungen seien auch in der jetzigen Rechtsform des KAV (Fehlbetrag 2015: rund 109 Millionen Euro) möglich, und auch etliche Sozialdemokraten schließen sich dem an. Die Befürworter der Umstellung, die sich daraus mehr Effizienz und Einsparungen fürs Wiener Gesundheitssystem erhoffen, hätten bisher keine befriedigenden Auskünfte dazu gegeben, sagen Gegner der Idee.

Diskutiert wird intern vor allem über den Kostendruck. Personalberater haben ja Wiener Spitäler durchleuchtet und sind dabei zum Beispiel zur Erkenntnis gelangt, dass die Ärzte bei der Visite mit drei Minuten pro Patienten durchkommen sollten. Der daraus abgeleitete Vorschlag zur Personalreduktion sei "radikal und überzogen", meint ein mit dem Projekt KAV Beschäftigter. Dies umso mehr, als die Bevölkerung der Stadt Wien wachse und damit die Zahl der Spitalsaufenthalte. (Renate Graber, 4.11.2016)