Wien – Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) und Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) haben am Dienstag im Ministerrat neue Vorschläge zur Schulautonomie vorgestellt. "Die konstruktiven Kräfte in diesem Land haben sich durchgesetzt", verkündete Hammerschmid nach der Regierungssitzung. Gesetze gibt es zwar noch keine, auf die wichtigsten Punkte haben sich die Verhandler aber geeinigt. Es handle sich um ein "Ermöglichungspaket" für die Schulen, sagte die Bildungsministerin bei einem Hintergrundgespräch am Montag.

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) und Staatsekretär Harald Mahrer (ÖVP) sind mit sich zufrieden.
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Sollten die jetzigen Ideen auch so beschlossen werden, wird es künftig "Bildungscluster" geben, in denen sich Schulen mit einem ähnlichen pädagogischen Ziel zusammenschließen können. Diese Cluster – es soll sich um zwei bis acht Schulstandorte handeln – bekommen einen "Clusterleiter", für den eine neue Ausbildung geschaffen wird. Die Leiter haben die Möglichkeit, bei der Auswahl ihrer Lehrer mitzubestimmen. Die Klassenschüler-Höchstzahl wird abgeschafft, stattdessen bestimmt die Schulleitung die Größe der Gruppen. Die 50-Minuten-Stunde bleibt zwar als Verrechungseinheit für Lehrer, soll an den Schulen aber keine Rolle mehr spielen. Im Folgenden ein Überblick über die Pläne.

  • Schulcluster: Künftig sollen sich zwei bis acht Schulen zu einem Schulcluster zusammenschließen können. Das soll unter anderem die Verwaltung von Kleinschulen erleichtern. Teil eines Clusters können aber nur entweder Pflichtschulen (Volksschulen und Neue Mittelschulen) oder Bundesschulen (höhere und mittlere Schulen) sein. Eine Mischform wird es nicht geben. Jede einzelne Schule hat weiterhin eine pädagogischen Leiter, aber mit reduzierter Leitungsfunktion. Die Führung des Schulclusters übernimmt der "Clusterleiter", der ein Sekretariat zur Verfügung gestellt bekommt. Mahrer und Hammerschmid betonen, dass die Clusterbildung eine Möglichkeit, aber keine Pflicht für Schulen wird.

  • Bildungscampus: Mehrere Schulcluster, mehrere Schulstandorte – egal ob Pflicht- oder Bundesschulen – sowie Kindergärten können einen Bildungscampus bilden. Das soll den Übergang zwischen Kindergarten, Volksschule und weiterführender Schule erleichtern. Am Land soll diese Form der Zusammenarbeit "Bildungsregion" heißen.

  • Lehrerauswahl: Bei der Wahl der Lehrer bekommt die Schulleitung mehr Kompetenzen. Zwar bleibt die Schulbehörde der Dienstgeber, aber die Mitsprache soll erhöht werden. Geplant ist, dass sich die Lehrer künftig direkt an mehreren Schulen bewerben, die Schulleitung trifft eine Auswahl und reiht die Kandidaten, die Behörde prüft anschließend die Bewerbungen. Nachdem die dann zugelassenen Bewerber ihre Wunschschule genannt haben, teilt die Behörde das Personal den Schulen zu. Um einen Lehrermangel an Brennpunktschulen und auf dem Land zu vermeiden, kann die Behörde also steuernd eingreifen. Der Dienstort für Lehrer wird künftig nicht die Schule, sondern der Schulcluster sein. Pädagogen können also an mehreren Schulen im Cluster eingesetzt werden. Eine Kündigungsmöglichkeit für Lehrer durch die Schulleiter wird es nicht geben.

  • Unterricht: Die Klassenschüler-Höchstzahl von 25 Schülern wird abgeschafft. Stattdessen soll der Schulclusterleiter festlegen, ab welcher Schülerzahl eine neue Klasse eröffnet wird oder wie groß die Gruppe etwa beim Sprachenlernen ist. Bisher konnten die Schulpartner, also Lehrer, Schüler und Eltern, die Klassenschüler-Höchstzahl ändern; sie sollen künftig nur mehr eine beratende Funktion haben. Sorgen der Gewerkschaft, dass es so zu einer "Mangelverwaltung" und einem "Sparpaket" kommen könnte, seien unberechtigt, sagen Hammerschmid und Mahrer. Der Verteilungsschlüssel für Lehrer an Schulen bleibe gleich, es werde also nicht weniger Lehrer pro Standort geben, wenn die Klassenschüler-Höchstzahl erhöht werde. Dadurch freiwerdende Ressourcen könnten aber in fächerübergreifende Projekte oder Förderkurse investiert werden. Die 50-Minuten-Einheit bleibt zwar als Verrechnungsgröße für Lehrer bestehen, soll im Unterricht aber keine Rolle mehr spielen müssen. Die Öffnungszeiten an Schulen sollen flexibler gestaltet werden, indem eine individuelle Lernzeit von 7 bis 8 Uhr ermöglicht wird.

  • Auswahl der Schulleiter: Schulclusterleiter müssen künftig den ersten Teil des neu einzuführenden Hochschullehrgangs "Schulen professionell führen" absolvieren. Der Lehrgang soll ab 2023 flächendeckend an den Pädagogischen Hochschulen eingeführt werden. Als weitere Voraussetzungen nennt Hammerschmid persönliche und fachliche Eignung, Führungs- und Managementfähigkeiten und eine Darstellung der Vorstellungen für die Entwicklung des Schulclusters. Die Eignung der Kandidaten beurteilt den Plänen zufolge eine Kommission in den Bundesländern. Die Leiter werden vorerst nur auf fünf Jahre bestellt und dann anschließend auf unbestimmte Zeit.

  • Fortbildung für Lehrer: Anstatt dass sich die Lehrer ihre Weiterbildungskurse selbst an der Pädagogischen Hochschule aussuchen, sollen künftig die Schulleiter bei den Pädagogischen Hochschulen jene Kurse anfragen können, die ihrer Meinung nach an der Schule gebraucht werden. Die Fortbildung soll dann direkt am Schulstandort stattfinden.

  • Qualitätskontrolle: Das Bildungsministerium wird eine neue Form der Qulitätskontrolle einführen, um zu überprüfen, ob die autonomen Schulen die gewünschten Ziele erreichen. Neben den Bildungsstandards wird es zusätzliche Instrumente geben, kündigt Hammerschmid an. Wie diese Kontrolle genau aussehen wird, ist noch offen.

Hammerschmid will die Autonomie "stufenweise ausrollen". Erste "Leuchtturmschulen", die schon jetzt im Rahmen von Schulversuchen eine weitergehende Autonomie praktizieren, sollen im Schuljahr 2017/18 starten können. Diese Vorbilder sollen dann andere Schulen "an der Hand nehmen", die ebenfalls autonom werden wollen. Der Vollausbau werde wohl bis zu zehn Jahre dauern. "Das Paket ist echt umfangreich und komplex", sagte Hammerschmid. Die Schulen seien kein "Versuchlabor", erklärte Mahrer nach dem Ministerrat die lange Dauer bis zum Vollausbau. Die Schulen müssten die Autonomie erst lernen und bräuchten Unterstützung.

Verpflichtung zu mehr Autonomie wird es keine geben. "Ein Schulleiter kann auch sagen, er belässt es bei den 25 Schülern pro Klasse", sagt Hammerschmid. Sie sei sich aber sicher, dass die Schulen schon jetzt darauf warten, mitmachen zu können. Dasselbe gelte für die Schulcluster.

Kostenneutrale Reform

Obwohl die Schulclusterleiter und ihrer Sekretariate zusätzliches Schulpersonal bedeuten, gehen Hammerschmid und Mahrer davon aus, dass die Reform keine zusätzlichen Kosten verursachen wird. Indem etwa die pädagogischen Leiter am Schulstandort weniger Aufgaben hätten, wenn über ihnen ein Schulclusterleiter agiert, könnten sie auch wieder mehr unterrichten, nennt Hammerschmid ein Beispiel. So würden Ressourcen frei.

Ob die Schulen künftig auch mehr finanziellen Spielraum bekommen, ist noch offen. "Da ist der Weisheit letzter Schluss noch nicht gefunden", sagte Hammerschmid.

Die Gesetzesentwürfe zur Reform sollen bereits in den nächsten Tagen fertig werden, kündigte Mahrer an. Im Dezember soll es im Ministerrat beschlossen werden. Als nächster Punkt der Bildungsreform, die eigentlich schon vor elf Monaten präsentiert worden ist, soll die Reform der Schulverwaltung umgesetzt werden. (Lisa Kogelnik, 18.10.2016)