Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos (Mitte) und Rebellenchef Rodrigo Londoño Echeverri alias Timoschenko (re.) beim historischen Händedruck. Links applaudiert UN-Generalsekretär Ban Ki-moon.

Foto: AFP / Luis Acosta

Bogotá/Puebla – Es war einer dieser denkwürdigen Tage, an denen es gute Nachrichten in die Schlagzeilen schaffen. Die Welt ist um einen Krieg ärmer, sagte Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos am Montag bei der Unterzeichnung des Friedensvertrages in der Hafenstadt Cartagena. Und obwohl das so nicht ganz stimmt – die kleinere Guerillagruppe ELN befindet sich noch immer im Krieg gegen den Staat -, wurden sogar die Augen des gewieften Pokerspielers nach über vier Jahren gespannter Verhandlungen feucht, als die Gäste mit ihren weißen Taschentüchern winkten und "nie wieder Krieg" riefen.

Es war sein Tag. Santos hatte geschafft, woran alle seine Vorgänger gescheitert waren. Die Unterzeichnung war perfekt inszeniert, mit Beethovens Ode an die Freude, einheimischen Kinderchören, Friedenstauben und Kugelschreibern, die aus Patronenhülsen gefertigt waren und auf denen die Worte prangten: "Die Kugeln sind unsere Vergangenheit, Bildung ist unsere Zukunft." Und es war kein Zufall, dass sich Rebellenchef Timoschenko ausgerechnet bei der Unterzeichnung, als alle Kameras auf ihn gerichtet waren, endlich öffentlich für das Leid entschuldigte, das die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) den Kolumbianern in 52 Jahren Krieg zugefügt haben.

Schwierige Versöhnung

Die Unterzeichnung des Friedensvertrages ist erst der Anfang eines schwierigen Versöhnungsprozesses. Dass UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und die Weltgemeinschaft ihre Unterstützung zugesagt haben, garantiert noch lange nicht, dass er gelingt. Wie viel Hoffnung hatten die Friedensverträge in El Salvador oder Guatemala geschürt? Heute gehören beide Länder zu den gewalttätigsten der Welt, wo bewaffnete Banden die Bevölkerung terrorisieren und massive Fluchtbewegungen auslösen und wo der Staat zur Beute einer kleinen Elite wurde.

Auch in Kolumbien gruppieren sich bereits ehemalige Todesschwadronen, um in den ehemaligen Farc-Gebieten ihren blutigen Geschäften wie Landraub, illegalem Gold- und Smaragdabbau und Drogenschmuggel weiter nachzugehen. Vor der Friedenszeremonie marschierte ein Grüppchen Friedensgegner, angeführt vom rechten Expräsidenten Álvaro Uribe, durch Cartagena. In den 1990er-Jahren scheiterte schon einmal die Umwandlung der Guerilla in eine Partei, als vom Militär unterstützte und von der rechten Elite finanzierte Todesschwadronen Jagd auf "Kommunisten", Aktivisten und Menschenrechtler machten und 5000 von ihnen umbrachten. Doch Kolumbien hat dazugelernt. Die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas hat anders als Mittelamerika stabile Institutionen, professionelle Streitkräfte, hervorragende Universitäten, eine gut organisierte Zivilgesellschaft – all das gibt Hoffnung, dass der Friedensprozess in Kolumbien ein Erfolg wird.

"Ausgeklügeltes Meisterwerk"

Geschichte haben sie schon jetzt geschrieben. Der fast 300 Seiten lange Friedensvertrag, so der ehemalige Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis Moreno Ocampo, sei ein "ausgeklügeltes Meisterwerk". Es sei der erste Friedensvertrag, in dem nicht automatisch Amnestie garantiert werde, sondern in dem neue Wege beschritten würden. Wer vor Sondergerichten seine Missetaten eingesteht, unrechtmäßig erlangte Güter zurückgibt und die Opfer entschädigt, wird mit alternativen Strafen belegt – dem Wiederaufbau zerstörter Schulen zum Beispiel.

Wer schwere Menschenrechtsverbrechen begangen hat, verliert seine politischen Rechte und kann etwa mit Hausarrest zwischen zwei und acht Jahren belegt werden. Diese Sonderjustiz gilt auch für Militärs und Zivilisten, die beispielsweise den Krieg finanziert haben. Dieser Mechanismus ist spannend, weil er die Hintergründe eines schmutzigen Krieges ans Licht bringt. Und die Wahrheit ist noch immer der beste Impfstoff gegen Wiederholung. (Sandra Weiss, 27.9.2016)