Durch "Industrie 4.0" sollen Roboter Arbeitskraft ersetzen. Dennoch wird Arbeit generell nicht ausgehen.

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Wir verdanken dem ständigen technischen Fortschritt die erstaunlichsten Dinge – von effektiven Aidsmedikamenten über den Onlinekirchenaustritt (und -eintritt) bis zu "Pokemon Go". Dementsprechend scheint es nur folgerichtig, wenn staatliche Politik die Förderung neuer Technologien in den Fokus rückt.

So hat etwa die große Koalition diesen Sommer ein sogenanntes "Start-up-Paket" beschlossen, in dessen Rahmen 185 Millionen Euro zusätzlich an Unternehmer verteilt werden sollen, in Form von Steuerbefreiungen, Investitionssubventionen und so weiter. Laut Erklärungen von Kanzler und Vizekanzler erwartet sich die Regierung davon 50.000 Neugründungen und 10-000 bis 15.000 neue Jobs. Nebenbei bemerkt, eine mitunter doch recht interessante Zahlenkombination.

Risiken und Nebenwirkungen

So viel zu den Hoffnungen an die technologische Entwicklung und ihre staatliche Förderung. Nun nützt aber die Verfügbarkeit immer größerer technischer Möglichkeiten nicht allen gleichermaßen. Oft hört man die Sorge, dass durch den technischen Fortschritt Menschen überflüssig und durch Roboter ersetzbar würden, sodass Massenarbeitslosigkeit und -elend drohen. Weiters sind viele Technologien das Ergebnis staatlicher Finanzierung, werden dann aber von Privaten monopolisiert, die mit Patenten etwa für Saatgut oder Medikamente die Macht über unsere Ernährung oder gar Leben und Tod gewinnen. Und schließlich hebeln manche neue "Sharing"-Technologien und Onlinearbeitsplattformen Gewerkschaften und Staaten aus, indem sie traditionelle Anstellungsverhältnisse durch Scheinselbstständigkeit ersetzen und weltweit verfügbar machen. Darüber hinaus hat die technische Entwicklung dramatische Folgen für die Umwelt und für militärische Zerstörungskapazitäten.

Politische Entscheidungen können einen großen Einfluss darauf haben, wer von neuen Technologien profitiert oder durch sie verliert. Die Forschungspolitik täte gut daran, diesen Einfluss bewusst zu bedenken anstatt per Gießkanne Geldgeschenke an private Unternehmen auszuteilen.

Technischer Fortschritt und bedrohte Arbeitsplätze

Neue Technologien können radikale Folgen für den Arbeitsmarkt haben. Manche Arbeitsfelder verschwinden, neue entstehen, aber oft nicht für dieselben Menschen.

Fließbandarbeiter müssen etwa Robotern weichen. Die im deutschsprachigen Raum als "Industrie 4.0" diskutierte Erhöhung der Autonomie von produzierenden Systemen hat das erklärte Ziel, Arbeiter durch Maschinen und eine geringere Anzahl an Mechatronikern und Informatikern zu ersetzen. Bankschalterangestellte werden durch Onlinebanking verdrängt; in der näheren Zukunft wird wahrscheinlich ein beträchtlicher Teil der Bankfilialen in Österreich zusperren. Dafür gibt es heute mehr Jobs für Programmierer. Die Zahl der Lehrer hingegen ändert sich kaum mit dem technischen Wandel; sie sind kaum durch Maschinen zu ersetzen, und auch die Nachfrage nach Krankenpflegern und -pflegerinnen dürfte durch technischen Wandel nicht bedroht sein.

Einkommensungleichheit steigt

In der ökonomischen Literatur wird oft argumentiert, dass der technische Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte insbesondere Menschen mit hohen Bildungsabschlüssen begünstigt hat, während Menschen mit mittleren Qualifikationen ihre Jobs, etwa in der Industrie oder im Büro, verloren haben. Das schlägt sich sowohl in der Zahl der Arbeitsplätze und der Arbeitslosenrate für verschiedene Gruppen nieder wie in ihren Löhnen. Weiters scheint der technische Wandel zur Folge zu haben, dass ein zunehmend größerer Teil des BIP an Kapitalbesitzer statt an Arbeiter geht. Nicht bewahrheiten dürfte sich aber die verbreitete Furcht, dass die Arbeit allgemein ausgeht.

In Österreich sehen wir in den vergangenen Jahren die folgenden Entwicklungen. Der Anteil der Löhne am BIP ist seit 1960 von 73 Prozent auf 63 Prozent gefallen, der Anteil der Kapitaleinkommen hat im Gegenzug zugenommen. Da Kapitalbesitz weit ungleicher verteilt ist als Arbeitseinkommen, trägt das zu einem Anstieg der Einkommensungleichheit bei. Die Einkommensunterschiede zwischen Gruppen mit verschiedenen Bildungsabschlüssen sind hingegen seit Anfang der 1980er-Jahre bis jetzt sehr stabil. Das mag zum Teil auf den Anstieg an höheren Bildungsabschlüssen zurückzuführen sein, der den Anstieg der höheren Nachfrage ausgleicht, zum Teil auf die stabilisierende Wirkung von Kollektivverträgen. Die Zukunft wird weisen, ob Österreich dem angelsächsischen Ungleichheitsanstieg zwischen Bildungsgruppen folgen wird, der in der ökonomischen Literatur diskutiert wird.

Politische Antworten

Welche Berufs- und Bildungsgruppen durch technischen Fortschritt profitieren oder verlieren ist nicht naturgegeben. Der Staat könnte und sollte gezielt die Entwicklung von Technologien fördern, die Menschen am unteren Ende der Einkommensskala nützen, etwa im Pflege und Gesundheitsbereich. In zarten Ansätzen existiert die Förderung solcher Ansätze in Österreich zum Beispiel im Rahmen des "aws Social Business Call".

Der Staat sollte außerdem durch gezielte Bildungsangebote denjenigen helfen umzusteigen, deren alte Berufsfelder durch technischen Wandel im Schrumpfen begriffen sind, und etwa Arbeiter in schrumpfenden Industriesektoren beim Umstieg in andere Branchen unterstützen.

Arbeitszeit senken

Und der Staat sollte auf Produktivitätssteigerungen reagieren, indem die Wochenarbeitszeit gesenkt wird. Von Beginn der Industrialisierung bis in die Nachkriegszeit sank die Regelarbeitszeit um mehr als die Hälfte, insbesondere infolge von Arbeitskämpfen und politischen Entscheidungen. Seither stagniert die Wochenarbeitszeit, während die Arbeitsproduktivität massiv gestiegen ist.

Eine Senkung der Arbeitszeit würde angesichts dieser Produktivitätssteigerungen bedeuten, dass alle mehr Zeit jenseits der Zwänge der Lohnarbeit hätten, ohne auf materielle Verbesserungen zu verzichten. Und sie würde sicherstellen, dass Produktivitätssteigerungen nicht in Arbeitslosigkeit und sinkenden Löhnen resultieren. (Maximilian Kasy, 26.9.2016)