Wien – Die vermutete Arbeitsunwilligkeit bei so manchen Jobsuchenden sorgt wieder einmal für Aufregung. Die ÖVP will wie berichtet die Zumutbarkeitsbestimmungen verschärfen. In Tirol und Oberösterreich haben die dortigen Landeswirtschaftskammern ihre Mitglieder aufgefordert, arbeitsunwillige Bewerber gezielt beim Arbeitsmarktservice (AMS) zu melden, damit es in der Folge zu Sperren des Arbeitslosengeldes kommen kann. DER STANDARD nimmt die Diskussion zum Anlass, um sich anzusehen, wie es mit den Sanktionen in den einzelnen Bundesländern aussieht.

Insgesamt gab es im Vorjahr österreichweit 102.431 Sperren von Arbeitslosengeld. Wenn es um das Thema Arbeitswilligkeit geht, verzerrt diese Zahl allerdings die Realität etwas. Mehr als 29.000 Sperren betrafen nämlich Arbeitslose, deren Dienstverhältnis "infolge eigenen Verschuldens" beendet wurde oder die selbst gekündigt haben. In diesen Fällen besteht in den ersten vier Wochen der Arbeitslosigkeit kein Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Viele versäumte Kontrolltermine

Von den restlichen 73.000 Sperren wurden 58.694 wegen versäumter Kontrolltermine verhängt, 14.260 wegen verweigerter Job- oder Umschulungsangebote und 225 wegen Verstößen gegen die Zumutbarkeitsbestimmungen.

Regional gibt es aber erhebliche Unterschiede. Die Sperren wegen Arbeitsunwilligkeit (Angebote verweigert oder Zumutbarkeitsbestimmungen verletzt) kamen im Vorjahr in Salzburg am häufigsten vor. Dort waren vier Prozent der arbeitslosen Personen von einer Sperre betroffen, wie diese Grafik zeigt:

Schlusslicht Kärnten

Personen, die eine Wiedereinstellungszusage hatten, wurden herausgerechnet, da sie in aller Regel nicht von Sperren betroffen sind. Den zweithöchsten Wert gab es jedenfalls in Vorarlberg mit 3,3 Prozent. In Kärnten wiederum wurden nur 0,86 Prozent der Arbeitslosen aus diesen Gründen gesperrt, nicht viel häufiger wurde in Wien (1,3 Prozent) Arbeitsunwilligkeit belangt.

Umgekehrt erfolgen in der Bundeshauptstadt die meisten Sperren wegen versäumter Kontrolltermine beim AMS-Berater. Fast jede zehnte arbeitslose Person war in Wien von einer solchen Sperre betroffen – nicht zuletzt deshalb arbeitet man hier verstärkt mit verpflichtenden Terminladungen. In der Steiermark gibt es die wenigsten Sperren wegen versäumter Termine.

"Mentalitätsproblem"

AMS-Vorstand Johannes Kopf bestätigt im STANDARD-Gespräch, dass es in Wien traditionell die größten Schwierigkeiten bei der Einhaltung von Terminen gebe – vor allem bei jugendlichen Arbeitslosen. Er spricht von einem "Mentalitätsproblem", das sich auch bei höheren Krankenständen zeige. Für die teils erheblichen Unterschiede bei den Sperren wegen Arbeitsunwilligkeit hat Kopf mehrere Erklärungsansätze.

Den stärksten Einfluss habe sicher die Zahl der offenen Stellen pro Arbeitssuchenden. In Ländern mit mehr offenen Stellen hätten die AMS-Landesbüros auch mehr Vermittlungsmöglichkeiten, die wiederum zu mehr Sperrmöglichkeiten führten.

102.431-mal wurde das Arbeitslosengeld im Vorjahr gesperrt.
Foto: apa

Mehr Nähe am Land

Eine Rolle spiele aber auch der Kontakt der Betriebe zu den lokalen AMS-Stellen. In ländlichen Gegenden kenne man sich eher, das führe zu mehr Rückmeldungen und somit auch zu mehr Sperren, vermutet Kopf. In diese Richtung argumentiert auch Bernhard Bereuter vom AMS Vorarlberg. "Wir stehen in sehr engem Kontakt zu unseren Unternehmen." Gebe es keine plausible Erklärung für die Ablehnung von Angeboten, werde konsequent das Arbeitslosengeld gesperrt, sagt Bereuter. "Da sind wir sehr dahinter."

In Wien wiederum, wo es noch immer deutlich steigende Arbeitslosenzahlen gibt, würden die Betriebe oft so viele Vorschläge für potenzielle Kandidaten bekommen, dass es ihnen zu mühsam werde, für alle Rückmeldungen beim AMS zu geben, sagt Kopf.

Teilschuld

Eine "Teilschuld" liege aber wohl auch bei den AMS-Stellen. "Die Vollziehung könnte manchmal konsequenter sein." In Wien sei das unter anderem mit Personalrückstand erklärbar, der erst langsam aufgeholt werde. Und noch ein Spezifikum gibt es in Wien: Dort werden mehr AMS-Bescheide aufgehoben – auch weil die Beratungsangebote für Arbeitslose stärker ausgebaut sind, sagt Kopf. (Günther Oswald, 10.8.2016)