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Oberhauser: "Ich hätte diese Entscheidung sicher nicht getroffen und hätte sie auch nicht zugelassen. Aber der Posten des Informationsdirektors wurde ja auch ganz bewusst abgeschafft, damit Wrabetz mehr Freiraum und Einflussmöglichkeiten hat."

Foto: REUTERS/Heinz-Peter Bader

Wien – Kritik am Soloauftritt von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in der ORF-Talksendung "Im Zentrum" kommt vom früheren ORF-Informationsdirektor Elmar Oberhauser. "Das ist ein beispielloser Skandal und dreister Angriff auf die Unabhängigkeit des ORF", sagte Oberhauser im APA-Interview. Oberhauser führte selbst zahlreiche Diskussionssendungen und Politikerinterviews im ORF.

Der ORF widmet "Im Zentrum" am Sonntag ausschließlich einem Interview mit dem Kanzler, Thema ist die Flüchtlingskrise. Als Vorbild dient das deutsche Talkformat "Anne Will", wo Kanzlerin Angela Merkel zuletzt einige Soloauftritte hinlegte. "Für mich ist das ein weiterer Beweis, dass sich ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz als Handlanger von Kanzler Faymann sieht", meint Oberhauser.

Wunsch erfüllt

"Faymann hat sich vor fünf Jahren einen Chefredakteur gewünscht, den hat er von Wrabetz bekommen. Dieser Chefredakteur ist jetzt auch für 'Im Zentrum' zuständig", so Oberhauser, der damit auf die Bestellung von TV-Chefredakteur Fritz Dittlbacher anspielte. Oberhauser hatte sich damals als Informationsdirektor gegen Dittlbacher als Chefredakteur ausgesprochen und wurde deshalb auf Vorschlag Wrabetz' vom Stiftungsrat mit den Stimmen von SPÖ, Grünen und linken unabhängigen Betriebsräten von seiner Funktion abgewählt.

Eleganter

"Ich hätte diese Entscheidung sicher nicht getroffen und hätte sie auch nicht zugelassen. Aber der Posten des Informationsdirektors wurde ja auch ganz bewusst abgeschafft, damit Wrabetz mehr Freiraum und Einflussmöglichkeiten hat", erklärte Oberhauser zum geplanten Faymann-Interview. "Grundsätzlich muss es dem ORF unbenommen sein, einen Bundeskanzler eine Stunde lang zu interviewen. Es gibt aber sicher passendere Gefäße für ein solches Gespräch, zum Beispiel in der 'Pressestunde' oder im 'Report'. Wenn man will, kann man das viel eleganter machen."

Beigeschmack

"Dass man eine ausgewiesene Talksendung für ein Interview in einen müden Abklatsch von Frau Will umformatiert, geschieht ja nur, damit man diesen Eklat begründen kann", so Oberhauser. Vom Faymann-Auftritt erwartet er keine journalistische Sternstunde. "Die Rolle von Bundeskanzler Faymann war in der Flüchtlingskrise ja eher von Hilflosigkeit und Anbiederung an Deutschlands Kanzlerin Merkel geprägt. Faymann hat allerdings vergeblich versucht, im 'Windschatten' Angela Merkels Profil zu gewinnen. Ich fürchte nur, all diese Dinge werden dem Herrn Faymann am Sonntag nicht vorgehalten werden."

Für Oberhauser hängt der Auftritt des Kanzlers auch mit der Wahl der neuen Geschäftsführung im Sommer zusammen. "Das ganze hat natürlich einen Beigeschmack, den man vor der im August geplanten Wahl des neuen ORF-Generaldirektors sehen muss", so Oberhauser. "Ich frage mich auch, wo ist eigentlich der Redakteursrat, der sich zuletzt immer als Hüter der Unabhängigkeit des ORF aufgespielt hat." (APA, 11.3.2016)