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In Sachen Erste Hilfe und Reanimation besteht in Österreich noch Nachholbedarf.

Foto: Mario Vedder/dapd

Der Innsbrucker Anästhesist Michael Baubin sieht in Österreich "gewaltigen Aufholbedarf", was die Reanimation durch Laien bei Herz-Kreislaufstillständen betrifft. Durch eine häufigere Laien-Reanimation könnten bis zu 1.000 Menschen jährlich gerettet werden, sagt Baubin. Es würden in Österreich nur 15 von 100 Patienten von Ersthelfern eigenständig Herzdruckmassagen erhalten.

In Ländern wie Schweden oder Dänemark seien es hingegen 60 von 100 Personen. "Es werden viel zu viele Menschen nicht reanimiert", erklärt der Vorsitzende des Österreichischen Rats für Wiederbelebung. Der Wert "15 aus 100" betreffe übrigens nicht nur Österreich, sondern den gesamten deutschsprachigen Raum, fügte der Mediziner hinzu. Die Zahlen gehen laut Baubin aus dem Datenverbund "European Registry on Cardiac Arrest" (EuReCa) hervor.

Verpflichtender Unterricht

Die Hauptursache für die besseren Zahlen von Schweden, Dänemark oder auch den Niederlanden sieht Baubin im verpflichtenden Reanimations-Unterricht an Schulen in diesen Ländern. Der Experte fordert daher auch in Österreich eigene Reanimationskurse für Schulkinder. Sie würden das Vorgetragene leichter aufnehmen und überdies als "Multiplikatoren" dienen, das heißt die "Message" an ihre Verwandten, Freunde und Bekannten weitertransportieren.

In Österreich begnüge man sich hingegen mit dem Führerscheinkurs, kritisierte der Anästhesist und verlangte ein früheres Befassen der jungen Menschen mit dem Thema. Baubin plädierte zudem für eine "Auskopplung" der Reanimation aus den derzeitigen Erste-Hilfe-Kursen an den Schulen.

Als zweiten wesentlichen strategischen Ansatz sieht der Experte die "Telefonreanimation" durch Organisationen wie etwa der Leitstelle in Tirol. Auch die strategisch und systematisch durchgeführte Laienreanimation unter telefonischer Anleitung könne Leben retten. "Sie können nichts falsch machen – nur Nichtstun ist falsch", sagt Baubin.

Neue Leitlinien

Die am Donnerstag – wie alle fünf Jahre – vom European Resuscitation Council (ERC) neu herausgegebenen Leitlinien zur Reanimation hätten indes erneut eine starke Fokussierung auf die Herzdruckmassage anstelle der Beatmung gebracht. Erstere sei bei Patienten, die "nicht mehr reagieren und nicht normal atmen" wichtiger.

"Die Herzdruckmassage rettet Leben, die Beatmung hilft, die Frühdefibrillation unterstützt", brachte Baubin die Dringlichkeitsstufen der einzelnen Methoden im Notfall auf den Punkt. Bei der händisch durchgeführten Herzdruckmassage solle fünf bis maximal sechs Zentimeter in die Tiefe gepumpt werden – 100 bis 120 Mal pro Minute. Pausen von mehr als zehn Sekunden würden die Überlebensprognose der Patienten verschlechtern. (APA, 16.10.2015)