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Der Sozialdemokrat Stefan Löfven kümmert sich angeblich nicht um Umfragewerte, doch der Sieg ist ihm nicht sicher.

Foto: REUTERS/Pontus Lundahl

Es wird spannend bei der schwedischen Parlamentswahl am Sonntag. Der vermeintlich sichere Vorsprung der rot-grünen Opposition von mehr als zehn Prozentpunkten ist zuletzt deutlich geschrumpft. "Ihr könnt mich nicht stoppen!", verkündet der konservative Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt. Sein sozialdemokratischer Herausforderer Stefan Löfven "kümmert sich" aber nach eigener Aussage "nicht um die ganzen Zahlen" und sieht ebenfalls "den Sieg in Reichweite".

Zwei Blöcke stehen sich gegenüber. Auf der einen Seite Reinfeldts bürgerlich-liberale Vier-Parteien-Koalition, seit acht Jahren an der Macht. Auf der anderen Seite die Sozialdemokraten, die Grünen und die Linkspartei. Noch existiert der linke Block nur auf dem Papier. Der 57-jährige Exgewerkschaftsboss, der im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit gerne Österreich als Vorbild nennt, hat sich bisher geweigert, eine Koalitionsaussage zu machen. Die Grünen sieht er zwar als "natürliche Kooperationspartner", die Linken hält er hingegen auf Distanz und bemüht sich vielmehr um ein Aufbrechen des Regierungsblocks - bisher ohne Erfolg. Das ist Löfvens wunder Punkt in einem Wahlkampf, der vor allem von Arbeitsplätzen und Schule handelt.

Vorsichtige Annäherung

Mit Löfven wähle man die Katze im Sack, betont die Regierungskoalition und stellt sich im Gegenzug als Garantin von Verlässlichkeit und Stabilität dar.

Trotz ideologischer Gegensätze haben sich Konservative und Sozialdemokraten einander in den letzten Jahren angenähert. Die Konservativen setzen plötzlich auf staatliche Infrastrukturprogramme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Sozialdemokraten wiederum akzeptieren stillschweigend die radikale Steuersenkungspolitik der Regierung.

Platz für Extrempositionen

Die Konzentration in der Mitte, so der Politologe Stig-Björn Ljunggren, schaffe Platz für Extreme: Links macht sich die Feministische Initiative Hoffnung auf den erstmaligen Einzug in den Riksdag. Auf der Rechtsaußenposition könnten die einwanderungsfeindlichen Schwedendemokraten ihren Stimmenanteil auf über zehn Prozent verdoppeln.

Das ist ein Schock für viele Schweden, die stolz auf die großzügige Migrationspolitik ihres Landes sind, das zum Beispiel allen Flüchtlingen aus Syrien automatisch eine Daueraufenthaltsgenehmigung erteilt. Wenn Jimmie Åkesson (35), der Chef der Schwedendemokraten, die Botschaft von "Wohlfahrt, nicht Masseneinwanderung" verkündet, dann läuten in vielen Gemeinden die Kirchenglocken aus Protest. Auch im Parlament weigern sich die Parteien mit den Nationalisten, die für die Bewahrung "der einzigartigen schwedischen Kultur und Identität" eintreten, zu arbeiten.

"Immigrationsstopp löst alle Probleme"

Dass das Minderheitskabinett Reinfeldt viele Beschlüsse nur mit den Schwedendemokraten durchbringen konnte, steht auf einem anderen Blatt. Mit ihrer ebenso einfachen wie falschen Botschaft, wonach eine Begrenzung der Asyleinwanderung um 95 Prozent alle finanziellen Probleme Schwedens und der Schweden lösen würde, finden die Schwedendemokraten vor allem bei all jenen Gehör, die sich als soziale oder wirtschaftliche Verlierer betrachten.

Gleichzeitig zwingen die Nationalisten die etablierten Parteien zum Umdenken. Allzu lange, schreibt Schwedens größte Tageszeitung "Dagens Nyheter", hätten die Parteien die Herausforderungen, die die stark wachsende Zahl der Asylsuchenden mit sich bringe, ignoriert.

Tatsächlich wird in Schweden Kritik an der Migrationspolitik gerne vorschnell mit dem Rassismusstempel bedacht und nicht ernst genommen. (Karin Häggmark aus Stockholm, DER STANDARD, 12.9.2014)