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Der US-Journalist Steven Sotloff im Oktober 2010 in Manama beim Lulu-Kreisverkehr, der wenige Monate später zum Schauplatz von Reformprotesten in Bahrain werden sollte.

Foto: EPA/Mozen Mahdi

In der Behelfsklinik des Camps Atmeh, schrieb Steven Sotloff über ein Flüchtlingslager im Norden Syriens, "sind es keine Bomben, die töten. Es ist der Mangel an Medikamenten und angemessener Hygiene." In den Trümmern Aleppos schilderte der Journalist die Warteschlangen der Hungrigen, die sieben Stunden anstehen mussten, um eine Tüte Fladenbrot zu ergattern. Er schrieb von Menschen, die "fürchten, dass sie Statisten sind in einem Krieg, der kein Ende zu kennen scheint".

Sotloff war kein Kriegsreporter, der des Nervenkitzels wegen von Konflikt zu Konflikt eilte, um schnell wieder abzureisen, wenn sich der Pulverdampf verzogen hatte. Der 31-Jährige, so charakterisiert ihn Ishaan Tharoor, Redakteur des Magazins Time, war ein stiller, gründlicher Beobachter, der seine Arbeit ernst nahm, der in die Tiefe gehen wollte. Aus einer jüdischen Familie in Miami stammend, war er fasziniert von der islamischen Welt.

Selbstloser Idealist

In Libyen schilderte Sotloff den bizarren Versuch, die Rebellen des Aufstands gegen Muammar al-Gaddafi nach dem Sieg zur Abgabe ihrer Waffen zu überreden, in dem man ihnen iPads im Tausch für ihre Flinten anbot. In Kairo berichtete er aus dem Protestcamp der Moslembrüder, die sich gegen die Entmachtung "ihres" Präsidenten Mohammed Morsi auflehnten. Ein ägyptischer Kollege hatte ihm dringend davon abgeraten, sich dort blicken zu lassen. "Das sind Fanatiker, die Ausländer hassen. Amerikaner wie du sind dort in Gefahr."

Emerson Lotzia, an der University of Central Florida einst ein Kommilitone, skizziert Sotloff als unbeirrbaren Enthusiasten, der förmlich brannte für seinen Beruf. "Eine Million Leute hätte ihm sagen können, dass unklug war, was er machte, so wie man das eben empfand, wenn man von außen draufschaute." Steven sei sich der Gefahren schon bewusst gewesen, "aber er tat, was er für sein Leben gern tat".

Ein selbstloser Idealist - so charakterisierte Shirley Sotloff ihren Sohn. Vor wenigen Tagen hatte sich die Lehrerin in einer Videobotschaft direkt an Abu Bakr al-Baghdadi gewandt, den Anführer der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Steven, betonte sie, sei in den Nahen Osten gereist, um zu dokumentieren, wie Muslime unter dem Regime von Tyrannen litten. "Er ist ein ehrenwerter Mann und hat immer versucht, den Schwachen zu helfen."

Messer in der Hand

Umso schockierender wirken die Bilder der Enthauptung, wie sie US-Fernsehsender nur in kurzen Ausschnitten zeigen. Ein Maskierter, der, ein Messer in der Hand, über seinem im Sand kauernden Opfer thront. Das Englisch des Henkers lässt auf britische Herkunft schließen. Sotloff, der einen orangefarbenen Overall trägt, muss Sätze scharfer Kritik an Barack Obama vorlesen. Mit seiner Politik im Irak habe der Präsident doch Amerikaner schützen wollen. "Wieso muss ich dann den Preis dafür zahlen?"

Freiberuflich für die Zeitschriften Time und Foreign Policy tätig, war der Reporter bereits im August 2013 im Norden Syriens entführt worden. Die Öffentlichkeit erfuhr jedoch erst von seinem Schicksal, als ein Henker der IS im August den Journalisten James Foley köpfte und damit drohte, mit Sotloff einen zweiten Amerikaner umzubringen, falls Obama die Luftangriffe im Irak nicht stoppte.

"Bereits gescheitert"

Als die Nachricht von der Ermordung die Runde machte, meldeten sich Bekannte der Sotloffs zu Wort: Europäische Staaten zahlten ja auch Lösegelder - warum bleibe das Weiße Haus hart? Worauf der US-Präsident, auf Reisen in Estland, in der Wortwahl des Commander-in-Chief entgegnete, dass sich sein Land von einer Terrormiliz nicht einschüchtern lasse. "Was immer diese Mörder zu erreichen glaubten, indem sie unschuldige Amerikaner wie Steven töteten", sie seien bereits gescheitert, denn ihre Barbarei stoße Menschen rund um den Globus nur ab. "Wir werden für Gerechtigkeit sorgen", fügte Obama hinzu. "Wir werden nicht vergessen - und unsere Reichweite ist groß." (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 4.9.2014)