Wien - Mit dem "Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz 2005" wird die Haftentschädigung neu geregelt. Zwei menschenrechtswidrige Bestimmungen der derzeitigen Regelung werden damit korrigiert: Erstens hatte bisher nur Anspruch auf Haftentschädigung, wer sämtliche gegen ihn bestehenden Verdachtsmomente ausräumen konnte. Wer also "im Zweifel" freigesprochen wurde, galt zwar rechtlich als unschuldig, bekam aber nicht notwendigerweise Haftentschädigung. Das widersprach der Unschuldsvermutung.

Zweitens musste man sich vor einer Klage wegen Haftentschädigung bisher vom zuständigen Strafgericht per "Grundsatzbeschluss" bestätigen lassen, dass die Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind. Erst dann konnten Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Da der "Grundsatzbeschluss" in nicht öffentlicher Verhandlung fiel, war auch dies ein Verstoß gegen Art. 6 der Menschenrechtskonvention ("Recht auf faires Verfahren").

Im neuen Gesetz, das ab 1. Jänner 2005 gelten soll, entfällt dieser Zwischenschritt über die Strafgerichte. Schadenersatzansprüche sind direkt an die Finanzprokuratur (den "Anwalt der Republik") zu richten, die binnen drei Monaten darüber entscheiden muss. Danach können die Entschädigungsansprüche zivilrechtlich eingeklagt werden. Von der Novelle unberührt bleiben übrigens die Bestimmungen bezüglich "Amtshaftung" (also Entschädigung für vorsätzliches oder fahrlässiges Fehlverhalten staatlicher Organe).

Grundsätzlich ist Haftentschädigung sowohl für Strafhaft als auch für Untersuchungshaft möglich, und zwar in drei Fällen: Nach "gesetzwidriger Haft", nach "ungerechtfertigter Haft" (sprich: nach einem Freispruch bzw. wenn das Verfahren eingestellt wird), sowie in Fällen, wo nach Wiederaufnahme des Verfahrens das Strafausmaß heruntergesetzt wird und die bereits "abgesessene" Haftdauer das Strafausmaß übersteigt.

Eingeklagt werden kann sowohl Verdienstentgang ("materieller Schadenersatz") als auch Schmerzensgeld ("immaterieller Schadenersatz"). Letzteres liegt im Ermessen der Gerichte. Das Justizministerium geht von Tagsätzen bis zu 100 Euro aus. Die jährlichen Mehrkosten der Neuregelung werden mit bis zu 600.000 Euro beziffert.

Keinen Anspruch auf Haftentschädigung hat beispielsweise, wer nur deshalb nicht verfolgt wird, weil er zum Zeitpunkt der Tat nicht zurechnungsfähig war oder wer nach der Wiederaufnahme freigesprochen wird, weil inzwischen das Gesetz geändert wurde. Außerdem kann das Gericht die Schadenersatz-Ansprüche unter bestimmten Bedingungen mindern.

Wegen der menschenrechtswidrigen Bestimmungen der bisherigen Haftentschädigungsregeln war Österreich bereits mehrmals vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden. Im Justizministerium verweist man diesbezüglich darauf, dass es in vielen anderen Europarats-Mitgliedern überhaupt keine Haftentschädigung gebe. Mit der Neuregelung komme Österreich nun auch im internationalen Vergleich eine Vorreiterrolle zu. (APA)