James Jagger, umrundet von seiner Truppe Turbogeist, trägt die Tank Anglaise von Cartier.

Foto: Cartier/David Bailey

Es geht um Zeit und Geld. Das ist keine Neuigkeit. Und schon gar nicht beim Salon de l'Haute Horlogerie in Genf, dem Gipfeltreffen der Uhrenbranche der Champion's League. Aber dieses Jahr bekommt einen besonderen Punkt im Zeit-Geld-Diagramm. Während sich andernorts Krisengeheul zum globalen Chorgesang verdichtet und Rettungsschirme zu Fliegengittern werden, jagt in der Welt der ganz noblen Uhren ein Superlativ den nächsten. Mancher Superlativ ist so super, dass man ihn nicht erwähnen will, andere sind zu super um sie unerwähnt zu lassen.

Bei Richard Mille etwa - und der Name sei Programm - war man stolz darauf eine limitierte Edition von fünf Stück, von denen jedes die unbescheidene Summe von 1,4 Millionen Euro kostet, gleich hier vor Ort an den Mann gebracht zu haben. "Crisis, what crisis?", so der kecke Originalton. Bei den noblen Stücken handelt es sich um den Tourbillon Split Seconds Competition Chronograph, Kaliber RM 056 Felipe Massa Sapphire. Einem Formel-Eins-Fahrer und damit auch irgendwie seinem Sport gewidmet schnappten sich die Entwickler das hauseigene Kaliber von 2004 und feilten so lang daran herum, bis das Gewicht auf unter zehn Gramm gedrückt wurde. 

Hundertschaften an Winzigteilen

Die Hundertschaften an Winzigteilen aus Titan, Aluminium und Vanadium sind von allen Seiten durch Saphirglas einsehbar und vermittelt den Eindruck eines Formel-Eins-Boliden mit gläserner statt blecherner Außenhaut. Bei Cartier spricht man nicht über schnöde Zahlen. Immerhin ist man ein "Maison" der alten Schule, und die Geschichte, die man gern erzählt, handelt von Tradition und Kultur und nicht von Tempo und messbarem Erfolg. Was Wunder, dass ein neues Kapitel in einer großen Tradition des Maison aufgeschlagen wird: Die Tank, 1917 erfunden und in den Modellversionen Tank Americaine und Tank Francaise an vielen berühmten Handgelenken des letzten Jahrhunderts zu finden, gibt es 2012 in einer neuen Version: die Tank Anglaise.

Rechteckig, mit innovativer Krone, in allen gängigen Größen und Versionen, Gold und Stahl mit und ohne Brillanten. Ein wenig weiblich für eine Männeruhr fand das Fachpublikum. Man kann es aber auch als Absicht lesen. Cartier hat für sein neues Star-Produkt Testimonials gewählt, die an den Gender-Klischees kratzen. Die dynamische Lucy Liu etwa oder den androgynen James Jagger als Vertreter einer Generation, die den Luxus hat auf Geschlechterkampf und Rollenbild pfeifen zu können.

Uhren und Hormone

Für Testosteron und Vorbild erklärt sich ohnehin ein anderer zuständig. Georges Kern, CEO der Schaffhausener IWC, hat sich die Fliegerbrille aufgesetzt, die Top Gun-DVD eingelegt und die Uhr dazu gemacht. Fliegeruhren, seit jeher sinnstiftend bei IWC, werden mit den Spitfire-Modellen, den Chrono-Gentlemen der Lüfte, traditionell elegant gepflegt. Mit den Miramar-Modellen wird das kalifornische Kampfflieger-Ausbildungszentrum der US-Fliegerei in Miramar geehrt und des anno 1986 noch knackigen Tom Cruise gedacht. Auch bei der Marke Roger Dubuis, dito unter Kerns Fittichen, fehlt es nicht an Hormonen. Auch nicht an weiblichen. Die an die Damenwelt gerichtete Velvet-Kollektion klotzt mit edlen Steinen. Auf dem schwarzen Titanium-Antlitz der Velvet strahlen Spinell und Amethyst. Der uhrmacherischen Idealvorstellung vom flachsten, kleinsten Zeitmesser kamen Piaget mit der Altiplano, dem bis dato flachsten (5,34 mm Gesamthöhe) Automatik-Kaliber und A. Lange & Söhne mit der Saxonia Thin (Gesamthöhe 5,9 mm), die es ab 2012 in einer Weißgoldversion gibt, am nächsten.

Geld und Zeit war auch das Thema bei Audemar Piguet. Olivier Audemars, Spross der Dynastie, erinnerte anlässliche des 40. Geburtstags der AP-Ikone Royal Oak an deren Geburtsstunde, die dunkelste Ära der Uhrenindustrie, Stichwort Quarzkrise. "Damals sind die Leute aus Verzweiflung aus den Fenstern gesprungen." Jetzt freut man sich über ein Umsatz von 550 Millionen Franken und feiert sich mit ein paar besonders ausgefeilten Versionen der Royal Oak. (Bettina Stimeder/Der Standard/rondo/27/01/2012)