Jan Kath gilt als internationaler Trendsetter der Teppichbranche. Auch er lässt an mehr als 50 Standorten in Kathmandu knüpfen.

Foto: Hersteller

Rund ist der Teppich "Grod" von Lela Scherer.

Foto: Hersteller

Ihr Bodenschmuck "Altreu" (beide für Pfister).

Foto: Hersteller

"Ferrara Radi Rocked" von Jan Kath.

Foto: Hersteller

Junge Frauen in bunter Kleidung sitzen auf niedrigen hölzernen Bänken an hohen Knüpfstühlen. So schnell, dass das Auge kaum mitkommt, knüpfen die Nepalesinnen Knoten um Eisenstangen, ziehen Stangen heraus, klopfen die Knoten auf den vorhandenen Flor.

Die kleine Manufaktur in Kathmandu ist eine von vielen, in denen Teppiche entstehen – den schwierigen politischen Verhältnissen zum Trotz. Als Billiglohnarbeiter strömen Nepalesen in die Golfstaaten, die Menschenschlangen vor dem Außenministerium in Kathmandu nehmen kein Ende. Junge Männer stehen an, um Papiere für eine Ausreise ins Ungewisse zu bekommen. Kein Wunder, die Arbeitslosenrate liegt bei 42 Prozent, ein Drittel der Einwohner lebt unterhalb der Armutsgrenze. Das Fair-Trade-Label Step will den Nepalesen helfen, in ihr eigenes Land zu investieren. Seit 15 Jahren setzt sich die Organisation für faire Bedingungen in der Teppichproduktion und im Handel ein.

Step-Partner wie das Schweizer Möbelhaus Pfister oder der Bochumer Teppichhersteller Jan Kath leisten hier einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Knüpfer und Knüpferinnen, die allein für Jan Kath an mehr als 50 Standorten in der Stadt arbeiten. "Für eine Teppichknüpferin, die in einem zertifizierten Betrieb arbeitet, bedeutet dies, dass ihre kleinen Kinder im Hort sicher aufgehoben sind, dass die größeren Kinder eine gute Schulbildung erhalten und dass sie angemessen entlohnt werden", sagt Nepal-Koordinatorin Sherab Dolma Rana. Die Step-Partner wiederum verpflichten sich, Einkäufe und Lieferketten offenzulegen und Kontrollen zuzulassen.

Hochburg des Teppichdesigns

Wurden die Teppiche früher in großen zentralen Manufakturen geknüpft, hat sich dies heute auf zahlreiche kleinere Ateliers verteilt. Grund sind die politisch-labilen Verhältnisse: Seit 2006 setzen radikale maoistische Gewerkschaften Firmenbesitzer, die mit westlichen Unternehmern zusammenarbeiten, unter Druck. Dabei schrecken sie auch vor Gewaltanwendung nicht zurück. In dieser instabilen Lage ist es nicht einfach, gute Knüpfer zu finden. Dabei ist das Monatseinkommen mit einem Reallohn von 200 Dollar durchaus attraktiv. Im Vergleich: Das durchschnittliche nepalesische Monatseinkommen beträgt immer noch weniger als 18 Dollar.

Die Knüpfkunst gehört nicht zur Kultur Nepals: Erst in den 1950er-Jahren kam sie mit den Flüchtlingen aus Tibet ins Land. In der Folge avancierte die Teppichindustrie zu einer der wichtigsten Branchen des Landes. Heute ist der Himalaya-Staat eine Hochburg für modernes Teppichdesign: Die Nepalesen knüpfen Teppiche nach Entwürfen, die für den europäischen Geschmack gemacht sind. "Die Nepalesen haben keine romantische Beziehung zum Teppich", erklärt Teppichhersteller Jan Kath. "Ihnen ist es einerlei, ob sie nun ein traditionelles oder ein abstraktes Muster knüpfen."

Weitab vom Mainstream

Das Fehlen der Tradition gibt den Produzenten auch eine große Freiheit. Als unbestrittener Trendsetter der Branche gilt eben dieser Jan Kath. Er hat sich mit Teppichen weit ab vom Mainstream einen Namen gemacht. "Cool sein, ohne kalte Füße zu bekommen", so lautet das Motto des 39-Jährigen. Seine Teppiche passen mit ihrem Used-Look perfekt in unsere Zeit. Denn der in der Modewelt angesagte Vintage-Look macht sich auch auf dem Boden gut. Die handgeknüpften Teppiche des Bochumer Herstellers sehen benutzt und verschlissen aus, die Rapporte der klassischen Muster erscheinen wie wegradiert, mit Säure übergossen oder abgewetzt. Manchmal verbindet Kath auch traditionelle Muster mit Neonfarben oder schmückt seine Teppiche mit bunten, lange verpönten Fransen. Seine maßgefertigte Ware liegt in arabischen Königshäusern, in Penthouses von Wirtschaftszampanos und auch im Sommerhaus des Red-Hot-Chili-Peppers-Sängers Anthony Kiedis. Der gefragte, oft kopierte Teppich-Designer produzierte auch den mehr als hundert Meter langen roten Teppich für die Fürstenhochzeit in Monaco.

"Kaum eine Teppichindustrie ist so offen für Innovationen wie die nepalesische", sagt auch Niels Blättler, der als Chefeinkäufer Teppich bei Pfister die Produktion seit zwölf Jahren vor Ort betreut. Die Schweizer Textildesignerin Lela Scherrer etwa hat Teppiche, Kissen und Plaids für die neue Designlinie "Atelier Pfister" entworfen. Während ihr Teppich "Altreu" aus tibetanischer Hochlandwolle ein altes orientalisches Muster in eine Schwarz-Weiß-Version übersetzt, ist der kreisrunde Entwurf "Grod" aus Pflanzenfasern von den Jahresringen eines Baumes inspiriert.

Handgeknüpftes hat seinen Preis, die hochwertigen Materialien wie handversponnene tibetanische Hochlandwolle, die häufig mit anderen Naturstoffen wie Seide, Hanf oder auch Nessel kombiniert wird, ebenso. Rund drei bis vier Monate dauert es, bis ein Teppich von 2,50 mal 3,50 Metern mit einem schwierigen Muster von drei bis vier Knüpfern fertiggeknüpft ist. "Die Seele soll nicht aus dem Teppich verschwinden", sag Niels Blättler.

Auch in Wien unterhält Label Step seit 2002 ein Büro. 13 Unternehmen mit 72 Verkaufsstellen sind heute in Österreich Partner von Label Step, darunter u. a. Möbel Leiner, Kika oder Adil Besim. (Andrea Eschbach/Der Standard/rondo/02/09/2011)