Die Sprachschule kooperiert mit Jamie Olivers Restaurant Recipease. Zwei Wochen dauert ein Kurs, der Englischlernen und Kochen kombiniert. Nach Brighton via London/Gatwick.

Foto: Ayfer Aydin
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Ein paar Sätze zu viel in der eigenen Muttersprache, und schon gibt es die rote Karte. Karl Taylor-Robinson will Englisch hören: Um es zu lernen, sei man schließlich hier - und natürlich des guten Essens und schönen Wetters wegen. Die Blicke dutzender Schüler schweifen über die Kantine aus dem Fenster hinaus in den strömenden Regen. Der Manager des British Study Centres verkneift sich ein Lächeln und zählt weitere Regeln auf: bitte und danke sagen, Schlange stehen statt drängeln, auf der Straße links fahren, Müll trennen und eine Anwesenheitspflicht von 85 Prozent beim Unterricht. Reihum stummes Nicken. Sie sind aus aller Welt gekommen, um in Brighton ihr Englisch aufzupolieren. Viele unterbrechen dafür ihr Studium, andere ihre Jobs.

Da ist Joe, eine Künstlerin aus Taiwan. Es ist ihr erster Tag im Ausland, des Englischen kaum mächtig, vergräbt sie sich hinter digitalen Familienfotos und Wörterbüchern ihres Laptops. Thomas haben seine Arbeitgeber für zwei Monate nach England geschickt. Der Chilene ist Geologe, sein nächster Stopp der Kongo, um Kupfer nachzuspüren. Der spanische Radiotechniker Pablo wollte sich eigentlich ein Auto kaufen. Jetzt steckt er das Geld in die Ausbildung: 12.000 Euro koste ihn das halbe Jahr in Brighton, "ziemlich üppig, aber es wird sich wohl auszahlen".

Auf eigenen Füßen stehen

Bei der brasilianischen Studentin Julia kommen die Eltern dafür auf. Behütet sei sie aufgewachsen, erzählt sie. Hier wolle sie beweisen, dass sie auf eigenen Füßen stehen könne, sie werde sich Arbeit suchen, "das richtige Leben kennenlernen" und durch Europa trampen. Ihr Landsmann Flavio macht nur Urlaub. Zwei Wochen hat sich der Banker für die Sprachkurse freigenommen. Lernen will er von den Briten aber vor allem das Kochen.

Kochen? Von den Engländern? Erheiterung unter den Neuankömmlingen, die nun je nach Herkunft wehmütig argentinische Steaks und asiatische Currys heraufbeschwören. Mit Fleisch haben es die Engländer nicht so, seufzt Julia, zu teuer, zu mindere Qualität. Anderen fällt dazu nur fettes Fastfood ein. Er wisse, dass die Briten für ihre Küche nicht gerade gefeiert werden, räumt Flavio ein. Aber man möge doch bitte an Jamie Oliver denken.

"Ich habe in Rio seine Rezeptbücher gelesen, seine Shows im Fernsehen gesehen, und jetzt bin ich hier." Viele seiner Studenten hätten keine Ahnung vom Kochen, sinniert Manager Robinson. Zwar gehe Brighton über vor internationalen Restaurants, aber wer könne es sich das schon täglich leisten. Also legten immer mehr Junge selbst Hand und Schürze an. Und übten in einem Aufwasch Englisch: erst Grammatik büffeln, dann zu Jamie.

Bodenständigkeit und milde Preise

Der britische Starkoch hat vor kurzem ein Lokal in Brighton eröffnet, Recipease nennt es sich, Fans loben dessen Bodenständigkeit und milde Preise. Wer eintritt, findet sich in einem Laden wieder. Meilenweit würden die Engländer hierher für das echte Tomaten-Ketchup des Meisters pilgern, weiß der Verkäufer und verdreht verträumt die Augen. Vorbei an Original-Jamie-Erdäpfelstampfern geht's zu Holzbänken. Ein paar Schritte weiter die helle Schauküche. Jamie ist auch da, in Lebensgröße auf einer Videowand.

Koch Alex hat alles vorbereitet. Ein Steak soll es werden, das perfekte wohlgemerkt. An diesem Herd habe er Italienern das Pesto gelehrt, Spaniern das mexikanische Streetfood und Franzosen die Weinverkostung. Nun liegt Fleisch auf dem Tisch. Alex streicht sich den Haarschopf aus dem Gesicht und schlägt ein Buch über die Anatomie des Rindes auf.

Ohne einen Fleischhauer des Vertrauens gehe gar nichts. Ein Monat müsse das Rindfleisch abgelegen sein, dunkel in der Farbe, keinesfalls vakuumverpackt. Eine Stunde vor dem Braten gehöre es raus aus dem Kühlschrank. Derweil Tisch decken, Wein öffnen. "Denn gleich gibt's nur noch das Steak und dich." Also los: Olivenöl händisch einmassieren - nicht in die gerippte Pfanne damit, warnt der Experte. Salz, Pfeffer drauf, mit Rosmarin spicken, und rauf aufs heiße Eisen. 

Nachhilfe vom Laden nebenan

Eine halbe Minute sollte es verweilen, wenden, einbuttern, den Fleischsaft um die Mitte ausbalancieren und nach kurzer Rast in Streifen geschnitten auf den Tisch. Ah ja, die Sauce: Rosmarin, Knoblauch und Sardellen mörsern, Zitronensaft, Pfeffer und Olivenöl dazu. Wie das alles auf Englisch heißt, ist im Handumdrehen vergessen.

Was einerlei ist, weil einem kleine Läden rundum Nachhilfeunterricht geben - oder die Gastfamilie, die ihre Küche zum Üben freigibt. Ein Gutteil der Schüler ist privat untergebracht, für gut 130 Euro die Woche und Halbpension. Die Standards sind streng, Esstraditionen, Lebenskulturen prallen dennoch aufeinander. Familienanschluss ist nicht garantiert. Kracht es, finden sich aber meist Alternativen.

Die Neuankömmlinge der Sprachschule treffen einander abends auf dem Brightener Pier am Meer. Regen ist der Abendsonne gewichen, über den Strand zieht der Geruch von frittiertem Fisch. Junge Pärchen aus aller Herren Länder sitzen im warmen Kies und flirten - auf Englisch. Sprachwächter Robinson wäre zufrieden. (Verena Kainrath/Der Standard/rondo/22/06/2011)