Regisseur Anthony Minghella über den Berlinale'04- Eröffnungsfilm "Cold Mountain" und die Kumpelqualitäten von Nicole Kidman
Redaktion
,
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Mit dem US-Bürgerkriegsdrama
"Cold Mountain" wurden
die 54. Internationalen
Filmfestspiele in Berlin eröffnet.
Regisseur Anthony Minghella sprach
mit Isabella Reicher über die
Kumpelqualitäten von Nicole Kidman
und über seine Vorbilder.
Berlin/London – Anthony
Minghella kann zufrieden
sein: Cold Mountain, sein
fünfter Kinofilm, wurde eben
für sieben Oscars nominiert.
Im Mittelpunkt des Films, der
auf dem gleichnamigen Roman von Charles Frazier basiert, steht eine Liebesgeschichte: Der junge Farmer Inman (Jude Law) und die Pastorentochter Ada (Nicole Kidman) werden durch den beginnenden Bürgerkrieg voneinander getrennt. Der Film
entfaltet in der Folge ein Panorama aus wechselvollen
Kriegserfahrungen.
Für Cold Mountain – der am 18.2. im Rahmen einer
STANDARD-Leserpremiere in
Wien präsentiert wird – hat
der britische Regisseur einmal
mehr ein beeindruckendes
Ensemble zusammengestellt:
Neben Kidman und Law sind
unter anderem Renée Zellweger (eben dafür Golden-Globe-prämiert), Donald Sutherland, Philip Seymour Hoffman, Nathalie Portman oder
Giovanni Ribisi zu sehen. Die
Struktur des Films, so Minghella, sei ihm bei der Besetzung entgegengekommen:
Minghella:
Der Film
ist episodisch angelegt, er hat
eine Kapitelstruktur, das
heißt, es gibt jeweils unterschiedliche Hauptfiguren. Das
lässt sich gut als Angebot formulieren: "In den vier Szenen,
für die ich Sie gerne besetzen
würde, steht Ihre Figur im Mittelpunkt – wollen Sie nicht
mitmachen?"
STANDARD: Die strapaziösen
Drehbedingungen haben auch
Stars wie Nicole Kidman nicht
abgeschreckt?
Minghella:
Nicole Kidman ist
etwas ganz Besonderes. Man
kann großen Spaß mit ihr haben, sie hat das Lachen einer
Hyäne. Sie wirkt einerseits so
heikel und zerbrechlich, und
gleichzeitig ist sie extrem robust, einfach ein guter Kumpel. Unter Stress kommt die
Australierin in ihr zum Vorschein. Sie und Jude Law waren großartig am Set: Sie haben sich nie beschwert, das
hat die allgemeine Stimmung
geprägt.
STANDARD: Und warum haben
Sie sich darauf eingelassen?
Minghella:
Meine Filme waren
für mich immer ganze Lebensabschnitte. Ich entwickle meine Projekte eher langsam, das
heißt also, dass ich mich einer
Sache hingebe, einige Jahre
mit ihr lebe.
Der talentierte
Mr. Ripley
war für mich ein
sehr wichtiger Film, ein Film,
auf den ich sehr stolz war, der
aber zugleich viel mit den
dunklen Seiten auch meiner
Person zu tun hatte. Die Aussicht, Zeit mit Figuren zu verbringen, die versuchen, anständig zu bleiben, die hehre
Ziele verfolgen, Versprechen
einhalten und loyal sind, hat
mir also sehr gefallen.
STANDARD: Und wie würden Sie
sich selbst als Filmemacher
einschätzen?
Minghella:
Die Filme, die ich
mag, sind tendenziell solche,
die die ganze Leinwand ausfüllen und von Gemeinschaften handeln. Ich werde immer
nervös, wenn in einem Film
nur wenige Figuren vorkommen. Ich erzähle lieber Geschichten über Kollektive als
über Individuen, auch wenn
ich Schauspieler und die Psychologie von Individuen sehr
schätze. Ich möchte beides
vermitteln, das Medium in
dieser Hinsicht so weit als
möglich ausschöpfen. Wenn
Sie nach einem Vorbild dafür
fragen würden, dann wäre das
ein wunderbarer italienischer
Film:
Der Holzschuhbaum
von
Ermanno Olmi.
STANDARD: Seit einiger Zeit sind
Sie auch Vorsitzender des British Film Institute (BFI) – sehen
Sie das als Möglichkeit, Ihre Vision vom Kino oder die Arbeit
Ihrer Vorbilder zu promoten?
Minghella:
Die Aufgabe des
BFI ist es, für Filme einzutreten, die ansonsten vernachlässigt werden. In meinem "day-job" als Regisseur bin ich zugleich Abhängiger und Nutznießer von Hollywood, seinen
Marketingmöglichkeiten und
der ganzen Maschinerie. Aber
die Filme, die mich zum Filmemachen animiert haben
und die ich liebe, kommen oft
auch von anderswo her. Das
BFI ist jene Einrichtung in
Großbritannien, die es einem
Publikum ermöglicht, die großen Filme der Vergangenheit,
anderer Länder und Kulturkreise zu sehen. Diese Arbeit
muss unbedingt fortgesetzt
werden. Junge Leute müssen
die Möglichkeit haben, Filme
von Kurosawa oder Kieslowski, von Fellini, Ozu oder Olmi
zu sehen. Und das wird ihnen
in ihrem örtlichen Multiplex
nicht geboten.
STANDARD: Weil Sie Kurosawa
erwähnen: Ist die Schlachtszene, mit der Sie Ihren Film eröffnen, von seinen Arbeiten inspiriert?
Minghella:
Ja, ich kenne seine
Filme sehr gut, und die Art, in
der er Farben einsetzt, Actionsequenzen choreografiert, ist
für mich sehr wichtig. Ich bin
von meinem Zugang her kein
Actionregisseur. Was ich also
versucht habe, war, eine Folge
von Bildern zu finden, die so
stark sind, dass sie das Publikum in einer relativ kurzen
Zeitspanne genügend für die
Schrecken des Krieges sensibilisieren und ich in der weiteren Folge keinen Kriegsfilm
drehen musste. Und ich hatte
das Gefühl, dass Kurosawa einer jener Regisseur ist, die das
geschafft haben. (DER STANDARD, Printausgabe, 5.2.2004/red)
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