Das umstrittenste Regierungsmitglied des Jahres 2003

war Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Politisch wanderte der Kärntner Sunnyboy von den Freiheitlichen bis fast hinein in den ÖVP-Vorstand. Damit rückte er nicht nur in das Zentrum roter und grüner, sondern teils auch blauer Kritik. Diese machte sich vor allem an zahlreichen Ungereimtheiten finanzieller Natur fest - von der Finanzierung seiner "privaten" Homepage durch die Industriellenvereinigung (IV) über den steuerlichen Umgang mit Vortragshonoraren bis zu nicht gemeldeten Aktien und seiner Rolle bei der Eurofighter-Beschaffung.

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Rosiger Beginn

2003 wurde für den Finanzminister damit das Jahr der Negativ-Schlagzeilen. Dabei sah zu Jahresbeginn noch alles so rosig aus. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) holte Grasser erneut als Finanzminister in die Regierung. In dieser neuen alten Funktion kündigte er gleich die "größte Steuerreform der Zweiten Republik" an, konkretisiert ist bisher eine Entlastung von 500 Millionen Euro ab 2004. Weitere 2,5 Milliarden Euro und eine Vereinfachung des Steuersystems sollen folgen.

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In Sachen Budget

hatten - zumindest für das Jahr 2002 - die Statistiker gute Nachrichten: Das Maastricht-Defizit lag demnach bei 0,1 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP). Zu Jahresbeginn hatte der Minister selbst noch von einem Prozent gesprochen. Was den Budgetvollzug 2003 betrifft, erwartet man im Finanzministerium ein Unterschreiten der veranschlagten Marke von 1,3 Prozent.

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Die Opposition schoss sich jedenfalls bald auf Grasser ein

Sichtbarer Ausdruck waren zahlreiche Dringliche Anfragen und drei Misstrauensanträge. Anlass war zuerst die Homepage respektive deren Finanzierung durch die IV. Mit diesem Internet-Auftritt hatte Grasser im vorangegangenen Nationalrats-Wahlkampf massiv die Marke "KHG" beworben. Wenig später wurde bekannt, dass der Minister als Gegenleistung für Vorträge um Spenden ersucht habe, die in einen Sozialfonds fließen sollten. Den Fonds gibt es allerdings bis dato nicht.

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Nach Ansicht der Opposition, aber auch von Steuerexperten

entstand in beiden Fällen Steuerpflicht. Für die Homepage haben dies die Finanzbehörden inzwischen zwar zuerst verneint, was von Finanzsstaatssekretär Alfred Finz (V) zu Beginn des Sommers bekannt gegeben wurde. Nun wird aber wieder ermittelt, da die Staatsanwaltschaft, die noch prüft, weitere Informationen benötigt. Grasser selbst meinte dazu, er sehe dem Ergebnis gelassen entgegen.

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Aktiennichtmeldung

Im Spätsommer war auch ein anderes Thema aufs Tapet gekommen: Aktien, die der Minister dem Parlament nicht gemeldet hatte. Grasser und andere säumige Regierungsmitglieder meldeten nach - und die Diskussion ebbte danach wieder ab.

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Der jüngste Aufreger

betrifft wiederum die Amtsführung Grassers: Ein Gutachten der Parlamentsdirektion kam im November zu dem Schluss, der Minister hätte den Nationalrat über ein Positionspapier der EU-Finanzminister informieren müssen. Nationalratspräsident Andreas Khol (V) stellte sich postwendend hinter Grasser, was wiederum erneut Empörung der Opposition nach sich zog. Der Minister selbst rechtfertigte sich damit, es habe sich um kein offizielles Dokument gehandelt - er versprach aber Besserung.

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Abflug

Immer wieder thematisiert wurde auch Grassers Rolle bei der Eurofighter-Beschaffung. Hatte er die Abfangjäger ursprünglich als unnötiges "Kriegsgerät" abgelehnt, akzeptierte er das Geschäft schließlich. Die Gerüchte wollten nicht verstummen, wonach der Grund für diese Akzeptanz im Naheverhältnis zwischen Ex-Grasser-Arbeitgeber Magna und dem Eurofighter-Anbieter EADS begründet sein könnte.

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Rückkehrrecht

Seine guten Beziehungen zu Magna wurden Grasser auch im Zusammenhang mit der voestalpine-Privatisierung zum Vorwurf gemacht. Der Verdacht, er könnte einen Bieter bevorzugen, veranlasste den Minister Ende Juni, auf sein Rückkehrrecht in den Konzern des Austro-Kanadiers Frank Stronach zu verzichten.

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Diss

Zuletzte sorgte Grassers Dissertation für Schmunzeln. Als Thema hat sich der Minister ausgerechnet "Die Senkung der Abgabenquote auf 40 Prozent bis zum Jahr 2010" ausgesucht. Und als Doktorvater hat Grasser seinen Berater Herbert Kofler, Professor an der Universität Klagenfurt, sowie Leiter der Steuerreformkommission gewählt. Kofler sitzt auch auf einem Regierungsticket im Generalrat der Nationalbank und ist außerdem Aufsichtsratspräsident der AWS, einer 100-Prozent-Tochter des Bundes. (APA/rasch/red)

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