Wien - Die umstrittene Richtlinie zur Bundesbetreuung von Asylwerbern wird aufgehoben. "Wir anerkennen selbstverständlich den OGH-Beschluss, daher werde ich die Bundesbetreuungsrichtlinie aufheben", sagte Innnenminister Ernst Strasser (V) am Rande eines Italien-Besuches im Gespräch mit österreichischen Journalisten. Bis zur Neuregelung werde Bundesbetreuung den gesetzlichen Bestimmungen sowie nach Verfügbarkeit von Betreuungsplätzen und finanziellen Möglichkeiten des Ressorts gewährt.

"Ich gehe davon aus, dass die Richter bei diesem Beschluss die Konsequenzen mitbedacht haben", betonte der Minister. Seinen Angaben zufolge werden wegen des OGH-Beschlusses zusätzliche Kosten in Höhe von mehr als 12 Millionen Euro pro Monat entstehen werden.

Gemeinsame Lösung gesucht

Strasser will nächste Woche zu einem Asyl-Gipfel mit Ländern, Gemeinden und NGOs einladen. Die betroffenen Ministerien - etwa das Finanzministerium - seien bereits informiert. Es gehe nun darum, eine "möglichst gemeinsame Lösung zu finden", so Strasser. Ob nun die gesamte Bundesbetreuung vom Staat bezahlt werden muss ist für Strasser aber noch offen: "Das ist eine Frage, die zu klären sein wird."

"Diese Gefahr steht im Raum"

Wie die Bundesbetreuung künftig geregelt wird, werde noch im Detail zu prüfen sein. Auf die Frage, ob nun tatsächlich jeder Asylwerber in Bundesbetreuung genommen werden müsse, meinte der Innenminister: "Ich glaube, dass die Aufhebung dieser Richtlinie durch den OGH diese Konsequenz haben könnte. Diese Gefahr steht im Raum."

Gilt für jeden

Zudem befürchtet Strasser, dass Österreich nach dem OGH-Urteil "eine Adresse wird für Wirtschaftsmigranten, die in die Europäische Union wollen". Der Beschluss bedeute, "dass jeder Fremde, jeder nicht österreichische Staatsbürger, der nach Österreich einreist und einen Asylantrag stellt, Anspruch auf Betreuung durch den Staat in Form von Wohnung, Essen, Sozialversicherung und Ähnliches hat". Dies gelte auch für EU-Bürger: "Ein Deutscher, der in Österreich einen Asylantrag stellt, könnte bis zur Abwicklung des Asylantrags - und das kann mehrere Jahre dauern - Anspruch auf Unterstützung durch den österreichischen Staat haben."

Kritik an der SPÖ

Strasser hat sein Bedauern für die Situation geäußert, die nach dem OGH-Beschluss entstehen wird. "Das bittere an der Situation ist, dass ich im April das neue Asylsystem eingebracht habe. Leider haben es die Sozialdemokraten nicht möglich gemacht, dass diese Gesetzesvorlage vor dem Sommer behandelt und verabschiedet wird", so der Minister.

Übersteigt die finananziellen Möglichkeiten

"Hätten wir das neue Asylgesetz, das ich vorgeschlagen habe und im Parlament liegt, verabschiedet, hätten wir das Problem nicht", so Strasser. Nun sei davon auszugehen, dass das Gesetz frühestens Mitte Dezember die "parlamentarischen Durchgänge passiert hat". Mit dem OGH-Beschluss entstehe ein Problem, "das nicht nur die Kapazität, sondern auch die finanziellen Möglichkeiten des Innenministeriums übersteigt", meinte Strasser.

Das OGH-Urteil

Das Innenministerium hat im Oktober 2002 per Erlass Asylwerber aus bestimmten Staaten von der Bundesbetreuung ausgeschlossen. Die entsprechende Richtlinie ist allerdings rechtswidrig. Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) widerspricht der Erlass des Ministeriums dem Gleichbehandlungsgrundsatz im Bundesbetreuungsgesetz. Mit diesem Urteil können Flüchtlinge ihren Anspruch auf Bundesbetreuung nun vor Gericht einklagen.

Anlassfall war eine Georgierin, die im Frühjahr mit einem vier Monate alten Baby und einem zweijährigen Kind vom Innenministerium aus der Bundesbetreuung entlassen wurde. Die Frau klagte gegen diese Entscheidung, was vom Erstgericht mit der Begründung abgewiesen wurde, es gebe keinen klagbaren Anspruch auf Bundesbetreuung. In zweiter Instanz wurde ihr dieser Anspruch allerdings sehr wohl zuerkannt, wogegen das Innenministerium wiederum Berufung einlegte.

Damit ging die Sache zum Obersten Gerichtshof, der der Georgierin nun einen "vor Gericht durchsetzbaren Anspruch auf Bundesbetreuung" zuerkannte. Laut OGH ist der Bund nicht berechtigt, "einem Asylwerber von vornherein, ohne Vorliegen einer sachlich gerechtfertigten Differenzierung (...) die Bundesbetreuung zu verweigern". (APA)