Die zunehmende Ungleichheit bei der Einkommensverteilung wird zusehends zu einem Sprengsatz für den sozialen Frieden. In höchst unterschiedlichem Ausmaß je nach Land natürlich: Wenn in Staaten wie den USA ein Prozent der Topverdiener ihren Einkommensanteil in den letzten 30 Jahren auf ein Fünftel verdoppelt hat, ist das schon mehr als ein Alarmsignal. Selbst in traditionell egalitäreren Ländern wie den skandinavischen Staaten hat sich der Trend bemerkbar gemacht.

Nun heißt eine stärkere Zunahme von Einkommen einer finanziellen Oberschicht nicht notwendigerweise, dass die Niedrigverdiener deshalb mit weniger das Auslangen finden müssen. Doch die aufgehende Schere schürt Neid und führt zu einem Gefühl der Ungerechtigkeit. Verstärkt wird das Empfinden noch durch die Kluft bei den Vermögen, die weit größer ist als jene der Einkommen.

Besonders befremdlich ist die Rolle der Staaten in dieser Entwicklung. Sie haben in den letzten Jahrzehnten das Wort Umverteilung falsch verstanden und gerade die Spitzensteuersätze sowie die Kapitalsteuern gesenkt. Damit wurde der Trend zu einem Auseinanderdriften der Einkommen noch beflügelt. Standortwettbewerb hin, Attraktivität für Spitzenkräfte her: Die Entwicklung schadet letztlich auch dem Investitionsklima, das stark von der Leistungsbereitschaft der Arbeitskräfte abhängt. Eine Korrektur wäre höchst ratsam. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 2.5.2014)