Bedankt sich beim milden Winter: Die Raupe des Eichenprozessionsspinners hat heuer optimale Bedingungen für massenhafte Vermehrung.

Foto: APA/dpa/Patrick Pleu

Wien – Wer regelmäßig in Laub- oder Mischwäldern wie dem Wienerwald oder der Lobau unterwegs ist, kennt das Problem: Von Mai bis Ende Juli trifft man da auf die Raupe eines Falters namens Eichenprozessionsspinner. Vom Kontakt mit den nicht allzu possierlichen Tierchen (Foto) erfährt man meist erst im Nachhinein: Wenn Haut und Kopfhaut nach dem Waldbesuch jucken. Denn die Raupe, deren Habitat die Eiche ist, besitzt mikroskopisch kleine, giftige Brennhaare mit Widerhaken. Verfangen sich die auf der menschlichen Haut, geben sie ein auf Eiweiß basierendes Nesselgift ab, das je nach Intensität des Kontaktes zu massivem Juckreiz, Rötungen, Augenentzündungen und Hautausschlägen führen kann.

"Atmen Allergiker oder empfindliche Personen die Härchen ein, sind schwere asthmatische Probleme möglich", warnt Werner Aberer, Vorstand der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie an der Medizinischen Universität Graz. Er gibt zugleich Entwarnung: "Es gibt in Österreich bislang keine dokumentierten Fälle von anaphylaktischem Schock als Reaktion auf den Kontakt. Typisch sind eher die juckende Hautausschläge." Von einem Massenphänomen will Aberer nicht sprechen – Bewusstsein für das Problem sei aber wichtig.

4.000 Eichen im Wiener Wohngebiet

Das hat man bei der Stadt Wien. In deren Wohngebiet stehen immerhin rund 4.000 Eichen, Eichenprozessionsspinner inklusive. Deshalb rücken Mitarbeiter des Stadtgartenamtes im Frühling aus, um den Raupen den Garaus zu machen: Mithilfe eines Schädlingsbekämpfungsmittels, das für Menschen unbedenklich ist.

Wichtig ist dabei das Timing: Man muss die Raupe erwischen, bevor sie Härchen ausbildet. Und das wird schwieriger: Weil sich durch den Klimawandel die Temperaturentwicklung im Frühling kaum kalkulieren lässt, ist auch die Entwicklung der Raupe ein Ratespiel. Fest steht: Je milder der Winter, desto größer die Plage. Bei rauen Temperaturen überleben schlicht weniger Larven.

Eine Frage des Timings

Verpasst man den Zeitpunkt, und die Raupen haben ihre Härchen ausgebildet, lässt sich das Problem buchstäblich schwer einfangen: Wenn die Raupe stirbt, bleiben die Härchen aktiv und verbreiten sich durch den Wind. Die größere Gefahr bleibt aber der Direktkontakt: Man sollte deshalb den Aufenthalt unter Eichen meiden, die Raupen und ihre Nester, die so groß wie Basketbälle sein können, keinesfalls berühren oder selbständig entfernen, warnt man bei der Stadt Wien. Die Warntafeln, die die Stadt aufstellt, seien zu beachten und Kinder vom Bekraxeln der Eichen abzuhalten.

Dermatologe Aberer sagt, dass sich mit diesen Vorsichtsmaßnahmen das Problem rasch zu einem Nicht-Problem machen lasse. Bleiben nach einem Raupen-Kontakt die Beschwerden über mehrere Tage bestehen, empfiehlt er einen Besuch beim Dermatologen, der gegebenenfalls Antihistaminika oder eine kortisonhaltige Salbe verschreiben wird. Bei Juckreiz nach dem Waldspaziergang sollte man jedenfalls die Kleidung waschen und sich duschen. Und der als Blitzschlag-Prophylaxe zitierte Spruch, dass man Eichen weichen soll – er taugt auch in Bezug auf die haarige Raupe. (Lisa Mayr, DER STANDARD, 29.4.2014)