Theres Cassinis 29-teilige kinetische Plastik "Wirklichkeiten" im Musil-Haus in Klagenfurt.

Foto: Theres Cassini

Klagenfurt - Die österreichische Skulptur-und Fotokünstlerin Theres Cassini hat sich Robert Musils Romankoloss Der Mann ohne Eigenschaften auf anspruchsvolle und in höchstem Maße ästhetische Weise genähert. Ihr Literatur-Kunst-Projekt Möglichkeiten oder noch nicht geborene Wirklichkeiten schwebt bis 30. Mai im Robert-Musil-Literaturmuseum in Klagenfurt, das sich im Geburtshaus des österreichischen Autors (1880- 1942) befindet, verortet im Interferenzbereich zwischen Literatur und bildender Kunst.

Cassini baut Textfragmente in Objekte, die durch das Schweben im Raum an Dichte verlieren, metamorphosiert sozusagen die Sprache der Literatur in jene der Kunst. Die Künstlerin übersetzt gekonnt Eigenschaften der Romanprotagonisten sowie die Themen Wirklichkeiten, Parole der Tat, Türen und Tore in Mobiles. Die Hauptfigur Ulrich nimmt sich nach erfolglosen Versuchen, ein bedeutender Mann werden zu wollen, eine Auszeit vom Leben, löst sich von Rollenzuweisungen und ist aufgrund seiner "Eigenschaftslosigkeit" in der Lage, Möglichkeiten auszuloten.

Im Literaturmuseum wird er zum Einzelobjekt in Raupenform - von Tüll kokonartig umwoben. Dicht und durchlässig zugleich, ändert sich die vorgegebene Struktur je nach Bewegung und Blickwinkel. "Wenn man gut durch geöffnete Türen kommen will, muss man die Tatsache achten, dass sie einen festen Rahmen haben." Diese "Forderung des Wirklichkeitssinns" wird zu scheinbar frei schwingenden Türrahmen aus Messing, Glas und Kunstfell. Der Versuch einer Annäherung an Musils Der Mann ohne Eigenschaften gelingt mit der Bewegung als Kunstmittel glänzend. (Rieke Höller, DER STANDARD, 15.4.2014)