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Bis 2016 sollte man mehr über die Kommunikation zwischen Autofahrern und Radlern in Wien wissen.

Foto: APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER

Nach Autoinsassen sind Radfahrer die Verkehrsteilnehmer, die bei Unfällen am häufigsten verletzt werden. Laut Statistik-Austria-Schnellbericht waren es im ersten Halbjahr 2013 mehr als 2.000 Personen in Österreich. An den meisten Unfällen, bei denen Radfahrer verletzt werden, sind Autofahrer beteiligt. Mit einer Studie des Wissenschaftsfonds FWF soll nun in Wien untersucht werden, wie es zu diesen Unfällen kommt und wie Kommunikation zwischen Fahrradlenkern und Autofahrern abläuft.

Dabei sollen 100 Test-Radfahrerinnen mit drei Kameras gefilmt werden, während sie über vier unterschiedliche Kreuzungen in Wien fahren. Die Radler sollen sich 20 Meter vor der Kreuzung in den Fließverkehr einordnen und einige Meter nach der Kreuzung wieder anhalten. Eine Kontrollgruppe von weiteren 100 Radlern wird ebenfalls beobachtet werden, ohne zu wissen, dass sie gefilmt wird. Das wurde bereits mit der Datenschutzkommission abgeklärt.

Über die Videoaufnahmen werden Gestik und Mimik der Radfahrer aufgezeichnet und anschließend computergestützt analysiert. Außerdem soll kategorisiert werden, wie die Begegnungen mit den Autofahrern ablaufen. Unterschieden werden soll etwa zwischen leichten Konflikten, schweren Konflikten und einfachen Begegnungen zwischen Radlern und Autofahrern.

Fahrschulausbildung und Radlertraining

Laut der Soziologin Elisabeth Füssl vom Verkehrsforschungsinstitut Factum, das die Studie durchführt, lässt sich durch die Videobeobachtung allerdings nicht verstehen, welche Bedeutung das Verhalten hat und was schließlich zu einer Konfliktsituation führt. Deshalb werden begleitend Tiefeninterviews mit den Radlern und Autofahrern geführt. Auch Gruppendiskussionen und Fragebögen sowie Befragungen direkt nach den Interaktionen werden Teil der Studie sein.

Bei der Untersuchung handelt es sich um eine "Grundlagenstudie", deren Daten vielfältig einsetzbar sein sollen. "Ich könnte mir etwa vorstellen, dass man die Ergebnisse bei der Planung von Kreuzungen heranzieht", sagt Füssl. Auch in der Fahrschulausbildung, wo für die Soziologin das Thema "Verantwortung für das Verkehrsklima" zu kurz kommt, könnte das Wissen der Studie angewandt werden - oder im Radlertraining.

Ähnliche Studie in Australien

Im Moment befinden sich die Studienautoren in der ersten Phase. Das bedeutet, dass man sich mit vorhandener Literatur und themenverwandte Studien auseinandersetzt. So gab es im Jahr 2010 am Monash University Accident Research Centre in Melbourne eine ähnliche Untersuchung mit Kamerabeobachtung. Damals zeigte sich, dass sich vor Zwischenfällen zwischen Auto- und Radfahrern 89 Prozent aller Radler vorschriftsmäßig verhalten hatten. Die meisten Zwischenfälle geschahen an Kreuzungen und durch Streifen des Autos. Die meisten Radfahrer drehten ihren Kopf außerdem öfter nach rechts (57 Prozent) als nach links (37 Prozent).

Füssl hat sich für die zweite Phase der Studie bereits mögliche Kreuzungen für die Videobeobachtung herausgesucht. Auswahlkriterium dabei war, dass es an den Kreuzungen bereits Unfälle mit verletzten Personen gegeben hat. Besonders interessant ist laut der Soziologin dabei der Schwarzenbergplatz, da dort verschiedene Unfalltypen von Vorrangverletzungen bis zu Unfällen beim Wechsel des Fahrstreifens vorkommen. Die Ergebnisse der Untersuchung werden Ende November 2016 vorliegen.

Kommunikation auf Augenhöhe

Autofahrer kommunizieren laut Füssl in Österreich vermutlich nicht anders mit Radfahrern, als das in anderen Ländern der Fall ist. Das Rad als Alltagsverkehrsmittel gewinne jedoch erst nach und nach wieder an Bedeutung, und Autofahrer seien nicht an den Umgang mit den Radlern im Verkehr gewöhnt. "Man kennt das aus der Psychologie: Dinge, mit denen ich nicht rechne, nehme ich erst spät wahr", sagt die Soziologin.

Deshalb sollte vor allem in der Führerscheinausbildung Wert darauf gelegt werden, dass sich die Autofahrer bewusst werden, dass es Radfahrer gibt und welche schwerwiegende Konsequenz ihr Handeln für die schwächeren Verkehrsteilnehmer haben könnte, sagt Füssl. "Dann ist auch eine Kommunikation zwischen Autofahrern und Radlern auf Augenhöhe möglich." (Bianca Blei, derStandard.at, 9.4.2014)