Wien - "In Sorge um die Medienvielfalt in Österreich" zeichnete Gerald Grünberger die Stellungnahme des Zeitungsverbands VÖZ an Medienminister Josef Ostermayer, Landeshauptleute und Mediensprecher. Ostermayer wolle die Presseförderung willkürlich, parteipolitisch, überfallsartig kürzen  und vernichtete so Jobs, schreibt der Geschäftsführer des Zeitungsverbandes zum Begutachtungsentwurf.

"Wir ersuchen Sie dringend, von diesem Vorhaben Abstand zu nehmen und Österreich und seinen Zeitungsmarkt von Wettbewerbsmanipulation durch willkürliche Eingriffe in das Presseförde­rungssystem zu verschonen", warnt der Zeitungsverband vor dem "Anschlag auf das Gleichgewicht der vierten Säule des Staates".

Das Kanzleramt will die sogenannte "besondere" Presseförderung für regionale Vielfalt nur noch Zeitungen mit mindestens 17 hauptberuflichen Journalisten auszahlen. "Neue Vorarlberger Tageszeitung" und "Salzburger Volkszeitung" beschäftigen weniger.

Just ein Monat nach dem Ende des letzten sozialdemokratisch geprägten Regionaltitels - der "Kärntner Tageszeitung" - wolle das sozialdemokratische Kanzleramt zwei "eher bürgerlichen" Blättern  mit der "völlig willkürlichen" Hürde die Förderung entziehen. Das Kanzleramt missachte auch den Vertrauensschutz - die aktuelle Förderung war bis Ende März einzureichen, die Hürde soll schon mit 1. Mai in Kraft treten.

Die Stellungnahme des VÖZ im Detail:

"Treffsicher Finanzierung entziehen"

Der Verband suche seit Jahren den Dialog über die Presseförderung, habe "konstruktive Reformvorschläge" geliefert. Das für Medien zuständige Kanzleramt habe erst 2013 von Kommunikationswissenschafter Hannes Haas eine ausführliche Studie zur Reform erhalten, um die Presseförderung treffsicherer zu gestalten. Der nun vorgelegte Entwurf missbrauche diese Studie nur, finden die Verleger in ihrer Stellungnahme:

"Der Begutachtungsentwurf ist kein mutiges Bekenntnis zu einer treffsicheren und wirkungsvollen Presseförderung. Anstelle einer Systemreform bezweckt dieser Entwurf ausschließlich die völlig willkürliche Errichtung einer Hürde, welche zwei bestehende Zeitungen von der Presseförderung ausschließen soll: Die Neue Vorarlberger Tageszeitung und die Salzburger Volkszeitung. Das im Gutachten von Prof. Dr. Haas herausgearbeitete Potenzial zur Erhöhung der Treffsicherheit wird dabei als Vorwand für ein Vorhaben missbraucht, dessen Treffsicherheit sich darin erschöpft, den genannten Publikationen treffsicher die Presseförderung, und damit ein für diese regionalen Publikationen und die Medienvielfalt im ländlichen Raum wesentliches Finanzierungselement, zu entziehen."

"Völlig willkürlicher Federstrich"

Die Verleger verweisen in ihrer Stellungnahme auf 23 Millionen Euro Presseförderung, die allein 1997 bis 2012 an die sozialdemokratische "KTZ" gegagen seien und sie dennoch nicht wirtschaftlich überleben konnte:

"Einen Monat später wird anstelle der lange angekündigten großen Presseförderungsreform ein Entwurf in Begutachtung geschickt, durch den mit einem völlig willkürlichen Federstrich zwei regionalen Tageszeitungen die Förderung entzogen werden soll, welche in ihrer Historie und Tradition eher als bürgerlich denn als sozialdemokratisch geprägt zu beurteilen sind. Es sieht stark danach aus, dass nach dem (letztlich selbstverschuldeten) Exodus der letzten relevanten regionalen Tageszeitung mit sozialdemokratischer Prägung versucht wird, gezielt (besser wirtschaftende) regionale Tageszeitungen in privatwirtschaftlicher Hand im Wettbewerb zu schwächen."

"Minderbeschäftigung"

Der Zeitungsverband erinnert Ostermayer an seine Position zur Baumax-Krise: „Wenn es Möglichkeiten gibt, Arbeitsplätze zu retten, dann bin ich dafür, dass wir das tun."

Die Mindestzahl von Journalisten im Presseförderungs-Entwurf werde aber "arbeitsmarktpolitisch nicht zu einer Mehr- sondern zu einer Minderbeschäftigung führen – und somit bestehende Arbeitsplätze zerstören, weil sie Zeitungen trifft, die die geforderte Redaktionsgröße aufgrund der Unternehmensgröße schlicht nicht erfüllen können. Doch auch wenn die Redaktion aus weniger als 17 Journalisten besteht, hängen zahlreiche weitere, insbesondere auch kaufmännische Arbeitsplätze vom Fortbestehen der betreffenden Medienunternehmen ab, die durch einen Ausschluss von der Presseförderung unmittelbar gefährdet werden.

An der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung" hängen insgesamt 26 Arbeitsplätze, an der "Salzburger Volkszeitung" insgesamt 23. Es ist damit zu rechnen, dass ein erheblicher Teil dieser Arbeits­plätze durch die Umsetzung des vorgelegten Begutachtungsentwurfes verloren gehen wird. Eine Einstellung der Publikationen ist nicht auszuschließen. Die dadurch drohende mittelbare Gefähr­dung weiterer Arbeitsplätze bei Unternehmen in ständiger Geschäftsbeziehung (Druckerei, Zustellunternehmen) ist in den angeführten Zahlen noch nicht berücksichtigt. Damit ist weder ein Qualitätszuwachs noch eine Erhöhung der Medienvielfalt noch eine Verbesserung der Beschäftigungssituation am Arbeitsmarkt erreicht."

"Missachtung des Vertrauensschutzes"

Die aktuellen Förderanträge auf Basis des bisherigen Gesetzes waren bis Ende März 2014 einzureichen. Die erste Sitzung der Presseförderungskommission findet am 20. Mai statt, erst danach kann sie die KommAustria zuteilen. Der nun vorgelegte Entwurf soll aber - ohne Übergangsregelung - schon mit 1. Mai 2014 in Kraft treten.

Der VÖZ: "Das bedeutet, dass noch vor Beschlussfassung über die Förderungszuteilung für den Beobachtungszeitraum 2013 eine veränderte Rechtslage in Kraft tritt, welche für die Förderungswerber aus den Richtlinien für den Beobachtungszeitraum 2013 nicht absehbar war.  Damit wird in nicht rechtfertigbarer Weise in das berechtigte und geschützte Vertrauen der Förderungswerber eingegriffen."

"Bestürzt" und überrumpelt

"Bestürzt macht uns, Herr Bundesminister Dr. Ostermayer, dass gerade Sie als ehemaliger Medienstaatssekretär und nunmehriger für Medienangelegenheiten zuständiger Bundesminister in eine medienpolitisch derart sensible Angelegenheit überrumpelungsartig eingreifen. Damit nehmen wir nicht nur darauf Bezug, dass wir als Interessenvertretung der Zeitungsbranche erst durch das Begutachtungsverfahren von Ihrem Vorhaben erfahren haben, sondern vor allem auf die in Abkehr von den üblichen Gepflogenheiten unzumutbar verkürzte Stellungnahmefrist von sieben (!) Tagen in solch einer heiklen und bedeutenden Angelegenheit."

Der Verband schickte die Stellungnahme auch den Landeshauptleuten von Salzburg und Vorarlberg sowie den Mediensprechern "mit der dringenden Bitte, einen derartigen Anschlag auf das Gleichgewicht der vierten Säule des Staates in einem überparteilichen Schulterschluss zum Schutz der Pressefreiheit und der Pressevielfalt mit aller Kraft zu verhindern". (fid, DER STANDARD, 5./6.4.2014)