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Bauen mit Zellulose: Pappkartonkathedrale in Christchurch, Neuseeland.

Foto: Stephen Goodenough / AP

Der japanische Architekt Shigeru Ban.

Foto: Ban

Chicago/Paris - Der 56-jährige japanische Architekt Shigeru Ban ist der diesjährige Preisträger des mit 100.000 US-Dollar dotierten Pritzker-Preises. Das gab die Pritzker Foundation Montagabend in Chicago bekannt. Nach Kenzo Tange, Tadao Ando, Fumihiko Maki, Kazuyo Sejima, Ryue Nishizawa und dem letztjährigen Gewinner Toyo Ito ist Ban der insgesamt siebente Japaner in der Riege der seit 1979 gewürdigten Pritzker-Laureaten.

Grund für die Auszeichnung, so die Jury, sei die elegante, innovative, meist hölzerne Architektursprache für private Auftraggeber, vor allem aber die "kreative Verwendung unkonventioneller Materialien", wie sie Ban bei seinen temporären Bauten in Krisenregionen und Katastrophengebieten praktiziert. Um Zeit und Geld zu sparen, arbeitet der in Kalifornien und New York City ausgebildete Architekt mit Konstruktionen aus Pappkarton.

"Das erste Projekt aus Pappkarton und Papier war eine Ausstellungsgestaltung im Jahre 1986", erinnert sich Shigeru Ban. "Papier hat in Japan eine sehr lange Tradition, aber bei richtiger Verwendung kann man damit nicht nur Reispapierwände bauen, sondern auch riesige, stabile Konstruktionen." Seit damals hat er die Technologie der lasttragenden Zellulose immer weiter optimiert. Fokus seines Schaffens ist die Errichtung von temporären Bauten für von Naturkatastrophen betroffenen Krisenregionen.

Papierhäuser für Haiti

In Kobe wurden nach dem riesigen Erdbeben 1995 Kirchen und Wohnhäuser aus Pappkarton errichtet. In L'Aquila, Italien, baute Ban nach dem Erdbeben 2011 die Paper Concert Hall, eine Halle, deren tragende Konstruktion aus Kartonsäulen besteht. Außerdem plante Ban, der einige Jahre lang selbst in einer Pappröhre auf dem Centre Pompidou in Paris arbeitete, im Zuge diverser Hilfsaktionen Schulbauten und Notunterkünfte in Ruanda, Haiti, Indien sowie auf den Philippinen.

Eines der beeindruckendsten Bauten ist die "Transitional Cathedral" in Christchurch, Neuseeland (siehe Foto). Nachdem die Region 2011 von einem Erdbeben der Stärke 6,3 auf der Richter-Skala heimgesucht wurde, entwarf Shigeru Ban eine Kathedrale für mehr als 700 Besucher, die Mitte vergangenen Jahres eingeweiht werden konnte. Abermals besteht die tragende Konstruktion aus 60 Zentimeter dicken, fast 20 Meter langen Röhren aus Pappkarton. Als Fassade dient handelsübliches Polycarbonat, das meist in Gewächshäusern eingesetzt wird. Mit Ausgaben von 5,9 Millionen Neuseeland-Dollar (rund 3,66 Millionen Euro) kostete die ungewöhnliche Kirche den Bruchteil eines klassischen Sakralbaus.

"Jedes Material hat eine gewisse ästhetische, edle Seele", erklärt Ban. "Es kommt nur darauf an, wie man es einsetzt." Dieses Querdenken zeichnet auch seine überaus eleganten Holzbauten aus - so wie etwa den Haesley Nine Bridges Golf Club in Südkorea (2010), das neue Centre Pompidou II in Metz (2010, in Kooperation mit Jean de Gastines, siehe Foto Seite 1) sowie das sich derzeit noch in Planung befindliche Swatch- und Omega-Headquarter in Biel, Schweiz (Fertigstellung 2015).

In all diesen Fällen wird der Holzwerkstoff wie bei einem überdimensionalen Korbgeflecht als weiche, biegsame Matrix verwendet. Die Konstruktion ist eine Erfindung Shigeru Bans - entsprechende statische Berechnungen dafür mussten ebenfalls erst erfunden werden.

"Ich bin ein Freund des Erfindens. Immer nur Trends und Modeströmungen zu folgen ist mir zu wenig", sagt Shigeru Ban, der den Preis am 13. Juni in Amsterdam entgegennehmen wird. Der bisher einzige österreichische Pritzker-Preisträger ist übrigens Hans Hollein (1985), der am kommenden Sonntag, den 30. März, seinen 80. Geburtstag feiert. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 26.3.2014)