Priorin Regina in einem derzeit als Museumsshop dienenden Eck im ehemaligen Jagdschloss. Auf dem Areal leben die Nonnen in einem abgetrennten Bereich.

Foto: Robert Newald

Auf dem Areal leben die Nonnen in einem abgetrennten Bereich.

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Alland - Die Nonne in brauner Leinenkutte deutet die sanft abfallende Wiese hinunter. "Hier kommt das Besucherzentrum hin", Priorin Mutter Regina zeigt auf einen breiten Fleck knöcheltiefe Wiese. "Und hier, auf der anderen Seite des Weges, der Parkplatz". Wenige Meter von dort, wo Schwester Regina gerade steht, hat sich zuletzt vor 125 Jahren die größte bauliche Veränderung getan. Damals hat man direkt ins Jagdschloss Mayerling Kirchenmauern gesetzt. Die blassgelbe Fassade wird seither auf einer Länge von rund acht Metern von beigen Steinblöcken durchbrochen.

Dort, wo sich drinnen der Altar erhebt, ist das Bett gestanden, in dem Kronprinz Rudolf und seine Geliebte Mary Vetsera sich am 30. Jänner 1889 das Leben nahmen. Kaiser Franz Joseph ließ an dem Ort im selben Jahr ein Kloster errichten. Noch heute betreuen die Nonnen des Karmeliterordens das gesamte Areal, derzeit sind sie zu neunt. Sie führen ein zurückgezogenes Leben, in Gebet und Stille. Die mit einer kleinen Ausstellung aufwartenden Besucherräume sind streng von den Klosterzimmern getrennt.

40.000 Besucher jährlich

Inzwischen bröckelt aber in der Kapelle Farbe von den feuchten Wänden. Kanal- und Wasserleitungen stammen noch aus Kaisers Zeiten, Besucher-WCs fehlen und die Kapazität des Parkplatzes ist mit einem einzigen Bus ausgereizt. Rund 40.000 Besucher besichtigen jährlich Mayerling im niederösterreichischen Bezirk Baden, Tendenz sinkend. In der Schallaburg waren 2013 mehr als dreimal so viele.

Vergangenes Jahr entschied Priorin Regina angesichts dieser Entwicklungen, dass es Zeit ist, an die Öffentlichkeit zu gehen und um Hilfe zu bitten. Inzwischen ist dank tausender Einzelspenden und der vom Land zugesicherten 175.000 Euro so viel Geld vorhanden, dass Mayerlings Geschichte um 1,5 Millionen Euro völlig neu erzählt werden kann.

Mutter Regina meint, dass die Zeit dafür einfach reif war. "Jetzt stehen die Besucher gleich in der Kapelle und sind enttäuscht, dass das Schlafzimmer nicht mehr zu sehen ist", sagt die Nonne. Die Info-Tafeln in den engen Räumen daneben seien auch nicht mehr zeitgemäß. "Den Touristen von heute muss man mehr bieten", sagt sie - die ihr Leben in Armut, Keuschheit und Gehorsam lebt.

Museumsshop und neu aufbereitete Ausstellung

Im Herbst schon soll sich unterhalb von Kapelle und Schloss ein moderner, flacher Bau erstrecken, in den eine neu aufbereitete Ausstellung und ein Museumsshop einziehen sollen. Der Weg hinauf führt dann am ehemaligen Frühstückspavillon vorbei, der ab Mai renoviert wird. In den Schlossräumen selbst soll mehr Platz für Originalgegenstände entstehen. Auch das angebliche Originalbett aus dem Schlafzimmer will man vom Hofmobiliendepot ausleihen.

Elfriede Peller kann sich das alles noch gar nicht richtig vorstellen. "Ob ich mich dann in das neue Besucherzentrum stellen würde, weiß ich nicht", sagt die Pensionistin. Seit 1992 leitet sie ehrenamtlich Führungen durch die engen Ausstellungsräume. Die meiste Zeit verbringt sie, auf Gäste wartend, in einem Eck am Ausgang, wo sie Kerzen, Honig und Postkarten anbietet. Künftig werde man dafür ein bis zwei Personen anstellen, sagt Priorin Regina, die hofft, dass die Besucherzahlen so sehr steigen, dass sich die Ausgaben auch lohnen.

Vier Fahrtminuten entfernt, am Hauptplatz von Alland, träumt man auch vom Aufschwung. In der 2490-Einwohner-Gemeinde, zu der Mayerling als Katastralgemeinde gehört, betreibt Konstantinos Giannakis das Restaurant Thessaloniki. In den Etagen über dem Lokal warten sechs Zimmer auf Gäste. Giannakis hofft, dass die Umbauten in Mayerling sich positiv auf seinen Betrieb auswirken. Er würde gerne auf sein Dach einen Pool bauen, um mehr Leute anzuziehen. Allerdings muss er noch abwarten, wie die Geschäfte laufen.

Saisonale Schwankungen

Alland verfügt samt Umgebung über rund 150 Gästebetten. Diese sind maximal im Sommer gut belegt, wenn der Wienerwald zum Wandern einlädt. Nicht alle Betriebe in der Region verkraften auf Dauer die starken saisonalen Schwankungen. Bürgermeister Ludwig Köck glaubt nicht, dass sein Ort nun doch bald mehr Betten braucht. Aber der 52-jährige ÖVPler ist "sehr froh", dass der historische Platz nun aus dem "Dornröschenschlaf geholt" wird. Die "armseligen" Besucherräume im Schloss sollen sich in "eine Visitenkarte für Österreich" verwandeln, meint er.

Der Obmann des Tourismus- und Verschönerungsvereins Alland, Martin Wagenhofer, ist von den Veränderungen vor allem überrascht - und das nicht unbedingt positiv. Denn sein Verein sei in das Projekt überhaupt nicht eingebunden. "Mir ist es unerklärlich, wie es zu den Plänen gekommen ist", sagt er. Bei früheren Versuchen, Mayerling besser zu vermarkten, sei es stets sehr schwierig gewesen, die Nonnen überhaupt zu erreichen. "Die sind ja auch ein Schweigeorden", sagt er. Wer oder was da im Hintergrund Impulse gab oder gibt? Wagenhofer weiß es nicht. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 15.3.2014)