"Die Zukunftschancen für Jugendliche werden immer schlechter, daher brauchen wir starke Verbündete nach außen", sagt Fiona Kaiser. 

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Der scheidende SJ-Vorsitzende Wolfgang Moitzi wünscht sich eine weibliche Nachfolgerin.

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"Nur eine kritische SJ kann eine gute SJ sein", sagt Julia Herr.

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Finger in der Wunde und Stachel im Sitzfleisch wollen sie sein, im Sitzfleisch der bequemen SPÖ und, nach Möglichkeit, der Gesellschaft generell. Die Sozialistische Jugend war in der Gleichstellungsfrage mit 120 Jahren Männlichkeit an ihrer Spitze bisher so stachelig aber nicht. Das soll sich nun ändern. Für die Nachfolge des scheidenden Bundesvorsitzenden, Wolfgang Moitzi, sind momentan ausschließlich zwei weibliche Kandidatinnen im Gespräch.

"Dringend an der Zeit"

Die Oberösterreicherin Fiona Kaiser ist eine der Kandidatinnen, die am 4. April aller Voraussicht nach gegeneinander antreten werden. Ihre Kontrahentin ist Burgenländerin Julia Herr. Die 21-Jährige gilt als Kandidatin Wolfgang Moitzis, der sich dazu aber nicht äußern möchte: "Das sollen und werden die 200 Delegierten am Verbandstag entscheiden, ich möchte mich nicht in die Nachfolge einmischen." Für Moitzi steht im Vordergrund, dass bald eine Frau Vorsitzende des Verbandes sein wird: "Es jetzt schaut es gut aus, die SJ wird zum ersten Mal eine weibliche Vorsitzende haben. Das wäre ganz dringend an der Zeit und das freut mich sehr."

Frontenbildung

Während Moitzi unparteiisch bleiben will, formieren sich in den Ländern bereits die Fronten. Für Kaiser werden Stimmen aus Niederösterreich laut. Boris Ginner, niederösterreichischer Landesvorsitzender, hat "ein gutes Gefühl" bei ihrer Kandidatur: "Ich habe eine klare Parteinahme für Fiona und daran wird sich nichts ändern. Ich halte auch Julia Herr für ein politisches Talent, bin aber überzeugt, dass Kaiser die bessere Wahl wäre." Kaiser hätte, so Ginner, ein sehr konkretes und umfassendes Programm, mit dem sich die SJ Niederösterreich auch gut identifizieren könne.

Im steirischen Landesvorsitzenden, David Rautner, findet sich ein Fürsprecher Julia Herrs. Rautner verspricht sich "frischen Wind" von Herr, die er persönlich als Spitzenkandidatin für "besonders gut geeignet"  halte. Weil sie "von der Basis" komme und daher mit niemandem in der Partei in "Loyalitätskonflikte" geraten könnte, könne gerade sie die SJ und ihr Verhältnis zur SPÖ erneuern: "Kritik an der SP-Führung wird nicht reichen, wir müssen die linken Kräfte in der SPÖ vernetzen", so Rautner.

Bündnis linker Kräfte

Letzteres, ein Bündnis linker Kräfte innerhalb der Sozialdemokratie, zählt Julia Herr zu den wichtigsten Punkten auf ihrer Agenda. Aber auch auf wirtschaftspolitische Themen dürfe nicht vergessen werden. Weitere SPÖ-Funktionen als die statutarisch vorgesehenen wolle sie keine annehmen: "Ich glaube, es gilt, kritisch zu sein. Das geht nur, wenn man in keinem Abhängigkeitsverhältnis steht. Nur eine kritische SJ kann eine gute SJ sein." Dass der "Parteiapparat" sich "kritischen Stimmen gegenüber nicht zufrieden" zeigt, erfuhr Herr vergangene Woche beim Bundesparteirat der SPÖ, als sie EU-Wahl-Spitzenkandidaten Eugen Freund in einer Gastrede zum Parteieintritt aufforderte.

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hatte Herr daraufhin ersucht, ihren Vortrag zu beenden und das Podium zu verlassen." Herr zeigte sich von der Reaktion überrascht: "Ich hätte mir von Heinisch-Hosek mehr Frauensolidarität erwartet. Ich finde es bedenklich, dass die Frauenministerin junge kritische Frauen von der Bühne verweist." (siehe Video)

Blick nach außen

Während Julia Herr Kräfte innerhalb der Partei bündeln will, richtet Fiona Kaiser ihren Blick nach außen: "Die Zukunftschancen für Jugendliche werden immer schlechter, daher brauchen wir starke Verbündete nach außen. Ich bin für eine vermehrte Bündnisarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, damit wir Themen breiter streuen können." Ginge es nach Kaiser, müsse die SJ "den Touch der angepassten Vorfeldorganisation loswerden und wieder um einiges mutiger werden, Dinge konkret anzusprechen. Wir hätten uns auch zum Regierungsprogramm noch massiver äußern können." Die 24-Jährige ist neben ihrem Landesvorsitz der SJ Oberösterreich auch stellvertretende Landesparteivorsitzende der SPÖ in Oberösterreich, außerdem ist sie über die oberösterreichische SP im Bundesparteivorstand delegiert.

Unbequem für Partei und Gesellschaft

Wolfgang Moitzi glaubt jedenfalls, dass sich" die Sozialdemokratie prinzipiell eine ruhigere und bravere Parteijugend wünschen würde." Unbequem für Partei und Gesellschaft seien die beiden Kandidatinnen aber gleichermaßen. "Herr hat einfach einen anderen politischen Verlauf genommen als Kaiser. Kaiser ist sehr in der SPÖ Oberösterreich verankert, Herr war bisher nur SJlerin", so Moitzi.

Unbefriedigende Antworten

Auf die Frage, warum 120 Jahre verstreichen mussten, bevor erstmals eine Frau an der Spitze der Sozialistischen Jugend stehen könnte, lassen sich kaum befriedigende Antworten finden: "Die SJ ist als Verband zu gewissem Grad ein Spiegelbild der Gesellschaft. Die vorherrschenden Machtstrukturen haben auch auf die SJ niedergeschlagen", versucht etwa Boris Ginner zu erklären. Einig aber sind sich alle in der Dringlichkeit einer Veränderung: "Es muss noch viel getan werden. Auch in der SJ", sagt Kaiser und auch Herr sieht "klaren Aufholbedarf. Die erste weibliche Vorsitzende der SJ zu sein, wäre eine unglaubliche Ehre für mich." (juni, derStandard.at, 5.3.2014)