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Auch wenn 19 Milliarden Dollar viel Geld sind: Facebook-Gründer Mark Zuckerberg weiß genau, warum ihm WhatsApp so viel wert ist.

Foto: ROBERT GALBRAITH / REUTERS

Auch wenn in der Vergangenheit immer wieder über Kaufinteressenten für WhatsApp spekuliert wurde, kam die offizielle Ankündigung der Übernahme durch Facebook am Mittwoch doch für viele überraschend. Vor allem die damit verbundenen finanziellen Details sorgen bei manchen für ungläubiges Kopfschütteln: Stolze 19 Milliarden Dollar sind es, die Facebook für den boomenden Messenger-Service ausgibt.

Relationen

Auch wenn dieser Betrag zunächst einmal relativiert werden muss – immerhin sind 15 Milliarden davon in Wertpapieren, wandern also quasi nur von Blase zu Blase, wie es manche kritische Beobachter formulieren -, bleibt dies doch ein ganzer Haufen Geld. Der Kauf von WhatsApp ist mit Abstand die größte Übernahme, die Facebook bisher getätigt hat. Eine, neben der selbst die einst ebenfalls kritisierte Kaufsumme von einer Milliarde Dollar für das Fotonetzwerk Instagram marginal erscheint.

Zukunft

Insofern wirft der aktuelle Deal natürlich die Frage auf: Warum ist Facebook die Übernahme gar so viel Geld wert? Die Antwort ist eine einfache: Facebook kauft sich damit ein ordentliches Stück Zukunftssicherheit. Denn auch wenn die Nutzerzahlen des sozialen Netzwerks derzeit noch keinerlei signifikanten Einbruch zeigen, zeichneten sich doch zuletzt immer offener strukturelle Probleme ab: Gerade junge Leute sind es, die immer mehr Zeit in Messengern als in sozialen Netzwerken verbringen. Das hatte auch Facebook selbst bei der Veröffentlichung der letzten Quartalszahlen eingestehen müssen.

SMS-Ablöse

Zwar bietet auch Facebook seine eigenen Messenger-Lösungen an, mit der Popularität von WhatsApp kann man allerdings nicht mithalten. Rund 450 Millionen monatlich aktive Nutzer hat der Messenger-Service mittlerweile, und zwar welche, die deutlich umtriebiger sind als jene von Facebook selbst. 70 Prozent davon sind täglich aktiv, der vergleichbare Wert bei Facebook liegt "nur" bei 61 Prozent. Jeden Tag (Stand: Jänner 2014) werden im Schnitt 18 Milliarden Nachrichten über WhatsApp verschickt, womit der Service schon bald das weltweite SMS-Volumen hinter sich lassen wird, das derzeit bei täglich 19,5 Milliarden Nachrichten liegt.

Wachstum

Dazu kommt, dass WhatsApp im Gegensatz zu Facebook rasant wächst, vor einem Jahr hatte der Service noch "nur" 200 Millionen monatlich aktive Nutzer. Im Rahmen der Übernahmeankündigung gab zudem Facebook-Chef Mark Zuckerberg seiner Überzeugung Ausdruck, dass der Service schon bald eine Milliarde Nutzer erreichen könnte. Und genau diese – und deren Daten – sind nicht zuletzt im Wettkampf mit Google um das Werbegeschäft eine wahre Goldgrube für Facebook.

Mobile First

Darüber hinaus bedeutet die WhatsApp-Übernahme einen wichtigen Schritt in Facebooks aktueller Strategie: "Mobile First" wurde schon im Jahr 2012 als Parole ausgegeben – wohl wissend, dass immer mehr Nutzer über mobile Endgeräte im Internet unterwegs sind. Dass in diesem Umfeld einzelne, klar fokussierte Angebote wie WhatsApp bessere Karten haben, hat auch Facebook begriffen. Entsprechend versuchte das Unternehmen zuletzt zunehmend über Spezial-Apps zu reüssieren, hier passt WhatsApp natürlich perfekt ins Portfolio.

Unauffällig

Wohl wissend, wie schnell die Gunst der Internet-Community wechseln kann, wird Facebook darauf bedacht sein, die Übernahme für die Nutzer möglichst unauffällig zu erledigen. Wie schon Instagram wird also auch WhatsApp unter eigener Marke und mit möglichst wenigen Änderungen weitergeführt.

Werbung?

Auch jede Form von direkter Werbefinanzierung wird man – wenn überhaupt – nur sehr vorsichtig und langsam einführen. Hatte sich WhatsApp doch bisher sehr offensiv einer klaren "Keine Werbung"-Strategie verschrieben und sich lediglich über eine minimale jährliche Nutzungsgebühr finanziert. Von WhatsApp heißt es denn auch rasch, dass sich durch die Übernahme zunächst nichts ändern soll.

Kein Widerspruch

Ein solcher Ansatz mag zunächst paradox klingen, für Facebook ist es aber tatsächlich wichtiger, sich die globale Dominanz im Messenger-Markt zu sichern, als das schnelle Geld zu machen. Zeichnet sich doch ab, dass Messenger nach und nach SMS ablösen. Gerade für viele Nutzer in Schwellenländern, die noch vor der Einführung von überall verfügbarem Breitbandinternet stehen, könnten Messenger so rasch zur zentralen Kommunikationsform werden. Immerhin bieten diese nicht nur zahlreiche Vorteile wie übersichtlichere Gruppenkommunikation und bessere Bilderintegration: Vor allem sind Messenger deutlich billiger als die in vielen Ländern noch immer einzeln abgerechneten SMS.

Konkurrenz

Angesichts der kombinierten Macht von Facebook, das weltweit im Bereich soziale Netzwerke bis auf wenige lokale Ausnahmen praktisch uneingeschränkt dominiert, und WhatsApp bleibt natürlich die Frage, wie die verbliebenen Chancen für den Mitbewerb aussehen. Von Google war vor kurzem kolportiert worden, dass es den WhatsApp-Konkurrenten SnapChat übernehmen wollte – und damit scheiterte. Doch von den Nutzungszahlen von WhatsApp sind beide Services ohnehin weit entfernt. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 20.2.2014)