Das Immunsystem zu lokalisieren ist nicht einfach, weil es als hochdifferenziertes Netzwerk an vielen Stellen des Körpers präsent ist. "Es ist aber vor allem auf sämtlichen Schleimhäuten des Körpers aktiv", konkretisiert Kinderärztin Elisabeth Förster-Waldl von der Kinderklinik am AKH Wien, die dort die immunologische Ambulanz leitet. Gemeinsam mit ihrem Kollegen, dem Genetiker und Kinderarzt Kaan Boztug, betreut sie um die 300 Patienten. Von der Form des Primären Immundefekts (PID) hängt auch die Therapie ab.

"Generell empfehlen wir ein möglichst breites Impfspektrum, weil es dem Immunsystem hilft, ein Gedächtnis aufzubauen", sagt Förster-Waldl. Sehr oft habe sich gegen bestimmte Keime aber auch eine Antibiotikaprophylaxe bewährt, sagt sie.

Infusion und Spritzen

Wenn die Bildung der Antikörper generell beeinträchtigt ist und der Körper keine Immunglobuline (Ig) bildet, lässt sich dieser Mangel durch die Gabe von Immunglobulinen kompensieren. Sie können als Infusion, aber auch als Spritzen von Patienten selbst verabreicht werden. Was dann wieder funktioniert: etwa die unmittelbare Reaktion auf Keime, für die Immunglobuline in der Abwehr verantwortlich sind. Im besten und erfolgreichen Fall erspart diese Therapie Patienten schwere Erkrankungen.

In besonders schwierigen Fällen von PID hat sich auch eine Knochenmarkstransplantation als erfolgreiche Behandlung erwiesen, allerdings nur, wenn Spender oder Geschwister mit identem Bluttypus als Spender vorhanden sind. "Diese Patienten haben häufig praktisch kein Immunsystem und brauchen auch keine oder kaum Chemotherapie im Vorfeld", sagt Förster-Waldl.

Genetiker Kaan Boztug streicht auch die mögliche Bedeutung von molekularen Therapien heraus. "Monoklonale Antikörper, die sich bei der Therapie von Rheuma bewährt haben, könnten vielleicht auch schon bald in spezifischen Formen von PID eingesetzt werden", erklärt Boztug. Warum? Auch bei Rheuma ist das Immunsystem fehlgeleitet, konkret die B-Zellen, die durch zu viel Interleukin 6 angeheizt werden. "Durch das Blockieren des entsprechenden Signalwegs kann das gestoppt werden", sagt Boztug und gibt damit ein Beispiel für zukünftige Optionen.

Vision für die Zukunft

"Noch spezifischer wäre eine Gentherapie, die gezielt eine gesunde Kopie eines kaputten Gens hinzufügen könnte", erklärt er. Das würde dann tatsächlich auch Heilung bedeuten. Ein Ziel, das einstweilen nur in sehr wenigen Fällen von PID erreicht werden konnte. Boztugs Einschränkung: "Wir müssen erst noch Erfahrungen sammeln, um eventuelle Nebenwirkungen ausschließen zu können", präzisiert er. Bis solche tatsächlich heilenden Behandlungsvarianten eine Option für viele PID-Patienten werden können, brauche es noch viel Forschung. Durch Gensequenzierung vervollständige sich aber das Bild über den Bauplan des Menschen und den Aufbau des Immunsystems kontinuierlich. (Karin Pollack, DER STANDARD, 18.2.2014)