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Hannes Androsch: "Die Regierung braucht in Sachen Hypo eine bessere Öffentlichkeitsarbeit. Die an den Tag gelegte Geheimniskrämerei macht einen schlechten Eindruck."

Foto: APA/Georg Hochmuth

STANDARD: Als ehemaliger Finanzminister: Möchten Sie nun in der Haut von Michael Spindelegger  stecken?

Androsch: In der Notsituation rund um die Hypo ganz bestimmt nicht.

STANDARD: Laut Experten war die geplatzte Bankenlösung für die Hypo absehbar – bedeutet das nicht auch einen argen Gesichtsverlust für Spindelegger?

Androsch: Bei den Verhandlungen mit den Banken war ich nicht dabei, aber man hätte den Großbanken für ihre Beteiligung einer Bad Bank vielleicht mehr bieten sollen – etwa, indem man ihnen bei der Bankenabgabe entgegen gekommen wäre. Außerdem: Besonders in der Krise brauchen die Banken ja auch immer wieder etwas von der Regierung und vom Gesetzgeber.

STANDARD: Sie meinen, genau da hätte Spindelegger am besten den Hebel ansetzen sollen?

Androsch: Theoretisch wäre das möglich gewesen. Aber die Gründe für die prekäre Situation reichen ja schon Jahre zurück.

STANDARD: Im Raum steht, dass seit der Notverstaatlichung 2009 alle drei ÖVP-Finanzminister, Josef Pröll, Maria Fekter, Spindelegger, viel zu lange mit einer Lösung zugewartet haben – teilen Sie diesen Eindruck?

Androsch: So ist es. Obwohl es nicht in die Zuständigkeit bei der Fimbag (Banken-ÖIAG, Anm.) fällt, haben wir seit 2009 im Finanzressort immer wieder deponiert, dass eine Bad Bank im Sinne der Werterholungsfähigkeit das Beste wäre – das ist aber jedes Mal unwirsch abgelehnt worden. Hätte man damals schon eine Bad Bank eingerichtet, wären wir jetzt schon um einiges weiter und hätten uns vieles erspart. Die Deutschen haben 2009 zum Beispiel bei ihrer Hypo Real Estate schon die Anstaltslösung gemacht – und sind längst aus dem Schneider: Sie machen Profite und bauen Staatsschulden ab. Wir dagegen haben uns von den Bayern damals über den Tisch ziehen lassen, indem wir den ganzen Schaden übernehmen, aber München ein vetoartiges Mitspracherecht eingeräumt haben. Dieses Verhandlungskunststück muss man erst einmal zusammenbringen – aber kein Wunder, es wurde ja nicht einmal die Finanzprokuratur als Anwalt der Republik beigezogen.

STANDARD: Die Opposition argwöhnt, dass durch die Notverstaatlichung der Hypo Raiffeisen große Verluste erspart wurden, FPÖ und Grüne verlangen einen U-Ausschuss – würde das Sinn machen?

Androsch: Man kann nicht ganz ausschließen, dass da eventuell Partikularinteressen vor das Allgemeininteresse gestellt wurden – die politische Verantwortung könnte ein U-Ausschuss klären, allerdings birgt dies die Gefahr, dass dort nur politisches Kleingeld gewechselt wird. Und: Zu einer Hypo-Lösung kann er sicher nichts beitragen.

STANDARD: Aktuell drängen Sie darauf, alle Varianten – auch eine Insolvenz – zu prüfen. Haben Sie eine Idee, warum die Regierung das in Auftrag gegebene Oliver-Wyman-Gutachten, das die Pleite als günstigste Lösung darstellt, derart lange unter Verschluss gehalten hat?

Androsch: Nein, aber Fakt ist: Die Regierung braucht in Sachen Hypo eine bessere Öffentlichkeitsarbeit. Die an den Tag gelegte Geheimniskrämerei macht einen schlechten Eindruck – und den Einwand, dass die Rating-Agenturen auf das Papier sofort reagiert hätten, lass ich nicht gelten: Das, was wir wissen, wissen die auch schon längst – und haben das auch bereits eingepreist. Jetzt hat diese Regierung eben den Salat am Tisch – und muss ihn mit entschlossenen Schritten wegräumen.

STANDARD: Apropos Öffentlichkeit: Trotz Hypo-Desaster gaben Kanzler und Vize nach dem Ministerrat kein Statement ab. Was hätte wohl einst Bruno-Kreisky, Erfinder des Pressofoyers, in dem Fall getan?

Androsch: Das haben wir von Kreisky und Gewerkschafter Anton Benya gelernt: In die Arena gehen – und den Stier bei den Hörnern packen – auch wenn es noch so unangenehm ist. Wir haben uns immer gestellt, etwa bei Werksschließungen und Protesten – da muss man einfach durch und auch den Medien erklären: "Jetzt geht es ums Große und Ganze." Und was Verschlusssachen betrifft, kann ich der Regierung nur sagen: Wenn man im Finanzministerium etwas in Umlauf bringen wollte, dann hat man daraus am besten einen Verschlussakt gemacht. Denn der psychologische Effekt gilt bis heute: Diesen Akt wollen dann wirklich alle lesen.

STANDARD: Wie könnten Werner Faymann und Spindelegger den Schaden aus dem Niedergang der Hypo für den Steuerzahler noch möglichst gering halten?

Androsch: Angesichts der sehr hohen faulen Kredite hoffe ich, dass wir mit einem Schaden von zwei Drittel der Bilanzsumme durchkommen – also mit 12 bis 13 Milliarden. Aber unabhängig davon, wie viel uns die Hypo am Ende des Tages kosten wird: Wichtig ist, dass die Regierung die Behebung des Schadens auf die nächsten 20 bis 30 Jahre erstreckt – das würde pro Jahr etwa 700 Millionen bedeuten und dies wäre leicht zu  verkraften. Einfach, weil der Steuerzahler den großen Brocken nicht auf einmal hinunterwürgen muss. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 14.2.2014)