Seit Monaten liegen 276 Millionen Euro, die für den heimischen Wohnbau reserviert sind, auf Eis. Das Geld stammt aus der jüngsten Mobilfunk-Lizenzversteigerung des Bundes, die Regierung wollte es in einem ausgeklügelten Verteilungsschlüssel an die Länder verteilen. Diese weigerten sich aber, die Millionen abzuholen, weil es für sie zu hohe Kofinanzierungen bedeutet hätte (derStandard.at berichtete).

So geschehen Ende Oktober. Seither tat sich in der Causa nichts Gravierendes mehr.

1:1-Aufteilung vorgeschlagen

Das ärgert auch die Proponenten der "Bausozialpartner"-Initiative "Umwelt + Bauen". Diese Mittel sollten keinesfalls liegen bleiben, sagte Bau-Holz-Gewerkschaftschef Josef Muchitsch am Dienstag in einem Pressegespräch in Brüssel – und schlug vor, den vom Bund festgelegten Kofinanzierungs-Schlüssel von rund 1:5 (20 Prozent der Förderung pro Wohneinheit vom Bund, der Rest vom jeweiligen Bundesland) auf 1:1 zu ändern. "276 plus 276 Millionen Euro für den Wohnbau müssten möglich sein."

Ob das auch die Länder so sehen, wird sich zeigen; bisher hatten sie jede Regelung, die sie Geld gekostet hätte, abgelehnt. Bleibt dies so, gibt es laut Muchitsch einen "Plan B": Das Geld könnte dann möglicherweise von einer noch zu schaffenden "Bundeswohnbauagentur", deren Gründung im Übrigen ohnehin im "Strategiepapier" vorgeschlagen wird, abgeholt und verteilt werden.

Präsentation im EU-Parlament

Die Initiative "Umwelt + Bauen" gibt es nun schon seit 2010, sämtliche Beteiligten sprechen von einer "österreichischen Erfolgsgeschichte". Und tatsächlich hat diese  "Bausozialpartnerschaft" mit Muchitsch und Bau-Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel an vorderster Front einiges erreicht. Zuletzt durfte man sich darüber freuen, dass sich zahlreiche Punkte des 2012 erstellten "Strategiepapiers Wohnen" im neuen Regierungsprogramm wiederfinden – freilich, wie fast alles dort, "mit Finanzierungsvorbehalt".

Als Bau-Lobby, die man natürlich ist und bleibt, präsentierte sich "Umwelt + Bauen" am gestrigen Dienstag, auf Einladung des Europabüros des ÖGB und begleitet von Journalisten, in Brüssel. In mehreren Gesprächen mit österreichischen EU-Abgeordneten von SPÖ und ÖVP betonte man die bisher erreichten Ziele: die Enquete im Parlament vor ziemlich genau drei Jahren, die das leistbare Wohnen erst zum Thema machte; die "Sanierungsscheck"-Aktion des Bundes, die bisher viermal durchgeführt wurde und deren Neuauflage für 2014 gerade finalisiert wird; und nicht zuletzt das "Strategiepapier", erarbeitet in monatelangen Verhandlungen vom "wissenschaftlichen Beirat" der Initiative, der seit Mai 2011 existiert.

Diskussion mit Abgeordneten

Die Abgeordneten Jörg Leichtfried, Evelyn Regner und Karin Kadenbach (alle SPÖ) sowie Othmar Karas und Paul Rübig (beide ÖVP) diskutierten mit den Vertretern der Bausozialpartner im Brüsseler EU-Parlament und signalisierten Bereitschaft, sich für mehr EU-Mittel für Neubau und Sanierung einzusetzen. Karas nannte den Sanierungsscheck eine "Benchmark" für ein europäisches Fördermodell, und auch Kadenbach meinte, dass sich das Modell eins zu eins auf andere europäische Länder umlegen ließe. Gleichzeitig verwies sie auf den ohnehin existierenden europäischen Struktur- und Kohäsionsfonds, der ähnliche Projekte initiiere.

Frömmel verwies darauf, dass es sich bei der Sanierung politisch um eine "Scheinthematik" handle: Alles Geld, das der Staat dafür aufwende, fließe nämlich zu mehr als 100 Prozent in Form von Lohn- und Umsatzsteuern zurück, das habe der Sanierungsscheck gezeigt. Es brauche nur die Anstoßfinanzierung von Seiten der Politik.

48.000 Wohnungen jährlich nötig

Beim Neubau sei als Konsequenz der 2008 aufgehobenen Zweckwidmung der Wohnbauförderung die Wohnbauleistung in Österreich spürbar gesunken, so Frömmel weiter, "heute werden jährlich 10.000 Wohnungen zuwenig gebaut." Der jährliche Wohnbedarf liege bei 48.000 Einheiten, und diese Zahl steht als Zielvorgabe nun auch im Regierungsprogramm.

Frömmel rechnete vor, dass mit einer Milliarde Euro mehr an zweckgebundenen Wohnbaufördermitteln sowohl dieses Ziel als auch die seit langem angepeilte Drei-Prozent-Rate bei der Sanierung erreichbar wäre. Konkret sollen zu den 1,78 Milliarden Euro an Wohnbaufördermitteln sowie den rund 1,2 Milliarden Euro an jährlichen Darlehensrückflüssen noch 500 Millionen aus EIB-Mitteln lukriert werden. Der Rest von etwa 520 Millionen Euro sollte von Pensionskassen und Sonder-Budgetmitteln stammen.

Arbeitslosigkeit am Bau sehr hoch

Muchitsch erklärte, dass es 2013 einen Einbruch bei der Arbeitslosigkeit am Bau gegeben habe. Derzeit stabilisiere sich die Lage. Laut Euro-Konstrukt werde zwar ein Plus von 0,9 Prozent bei den Bauinvestitionen erwartet, doch "unter plus 1,5 Prozent können wir nicht wachsen, da gibt es eher eine Stagnation". Umso wichtiger sei daher die Botschaft an Brüssel, die europäischen Sozialpartner zu motivieren, eine mutige Investitionspolitik in den Bau zu betreiben. (Martin Putschögl aus Brüssel, derStandard.at, 12.2.2014)