Gibt es eine dankbarere Zielscheibe für Spott und Hohn als Alice Schwarzer? Da muss man wohl lange suchen - noch dazu, wo es Schwarzer ihren Gegnern wahnsinnig leicht macht. Wie sie auf die Enthüllung ihrer Schwarzgeldaffäre reagiert, kommt einer Selbstdemontage gleich. Ihre Rechtfertigung wirke "schmerzhaft peinlich", schreibt etwa die "taz".

Es ist nicht nur das: Denn anders als etwa bei Uli Hoeneß wird nicht nur ein wandelndes Denkmal demontiert, sondern damit auch gleich das gesellschaftspolitische Anliegen, für das Alice Schwarzer steht: Verfolgt man die Häme, mit der sie auf allen Kanälen bekübelt wird, liegt der gesellschaftliche Konsens, dass Feminismus nicht grundsätzlich pfui ist, in Scherben.

Zugegeben, es fällt nicht leicht, Alice Schwarzer zu verteidigen: Die Ikone des Feminismus hat über ein Jahrzehnt lang Geld auf einem Schweizer Konto geparkt und Steuern hinterzogen. Sie zeigte sich, angesichts der Gefahr, via Steuer-CD aufzufliegen, reumütig und zahlte zurück. Jetzt regt sie sich auf, dass der "Spiegel" sie "denunziert" habe, indem er über die Sache berichtete.

Ausgerechnet: Sie, die moralische Instanz für eh fast alles, will die Pressefreiheit via Anwaltsdrohung beschränken. Dass sie überhaupt Schwarzgeld in der Schweiz parkte - was sie im Nachhinein selbst als "Fehler" bezeichnet -, erklärt sie mit den Angriffen, denen sie aufgrund ihrer publizistischen Tätigkeit in Sachen Frauenrechte ausgesetzt war. Sie habe vorsorgen wollen, für den Fall, dass sie eines Tages das Land verlassen müsse. Ausgerechnet Alice Schwarzer bemüht die weibliche Opferrolle - also bitte, frau kann es auch übertreiben.

Dass sie nun so genussvoll in der Öffentlichkeit zerlegt wird, hat wohl auch damit zu tun, dass Schwarzer zuweilen exzentrisch bis erratisch agiert, dass sie ihre Glaubwürdigkeit mit einer "Bild"-Kolumne aufs Spiel setzte und fast schon hysterisch wirkende Kampagnen gegen Prostitution, aber auch für ein Kopftuchverbot für Schülerinnen ritt.

Dennoch: Viele (zumeist anonyme) Kommentare in den sozialen Medien sind ausgesprochen böse. Und es geht nicht nur um Doppelmoral und Heuchelei - Vorwürfe, die etwa auch Hoeneß zu Recht aushalten musste. Bei Schwarzer geht es gleich um mehr als um die "Steuersünderin" (© ntv). Da wird mit der Gleichberechtigung abgerechnet ("... ging offenbar nur darum, gleichberechtigt Steuern zu hinterziehen"), über Frauen und Geld kalauert ("Zu blöd für die Steuererklärung?") und Frauen und Mathematik ("Kann offenbar nicht rechnen").

"Bild"-Kolumnist Franz-Josef Wagner war in seinem Element: Er höhnte, Schwarzer habe wohl noch die letzte Männerbastion, den Steuerbetrug, niederreißen müssen, und fügte tröstend an: "Ich glaube, dass sie einfach dusselig war. Mit Geld und so. Wie Frauen eben so."

Das ist das Bittere an Alice Schwarzers Steuerbetrugsaffäre. Sie trifft nicht nur sie allein. (Petra Stuiber, derStandard.at, 3.2.2014)