Als Gertrud (Loew-)Felsoevanyi 1939 aus Österreich flüchtete, verblieb ihre Kunstsammlung in Wien. Dazu gehörte dieses 1902 von Gustav Klimt gemalte Bildnis sowie sechs Zeichnungen Klimts. Sie gelangten in den Besitz Gustav Ucickys, der sie seiner Witwe vermachte, die das Gemaelde und fünf Zeichnungen in die Klimt-Foundation übertrug. Der Verbleib der sechsten Zeichnung ist (noch) unbekannt.

Foto: Belvedere

Blick in das von Kolo Moser gestaltete Schlafzimmer Gertrud (Loew-)Felsövanyis: die Wänden zierte ein zusammengehöriges Ensemble von insgesamt sechs Klimt-Zeichnungen. Zwei davon sind in dieser Detailaufnahme erkennbar, die einen Artikel in der Zeitschrift "Dekorative Kunst" (1904) illustrierte. Der Ausstattung der Wohnung hatte das Leopold Museum im Zuge der Kolo Moser Ausstellung 2007 im begleitenden Katalog einen umfangreichen Beitrag gewidmet.

foto: mak, dekorative kunst, repro

Ob aus der vorübergehenden alsbald eine endgültige Bestellung Franz Smolas zum künstlerischen Direktor des Leopold-Museums (LM) wird? Irgendwann wird der Vorstand wohl eine Entscheidung treffen. Derweilen gab der 50-jährige Kunsthistoriker der "Wiener Zeitung" (Ausgabe 18.1.) ein Interview. Darin ging es um das Übliche (u. a. Ausstellungsprogramm), aber auch um Naheliegendes: etwa jene personellen Verquickungen der umstrittenen Klimt-Foundation, die ihm – ob daraus resultierender Konsequenzen, wie dem Rücktritt seines Vorgängers – zu seiner neuen Funktion "verholfen" hatten.

Eine Kooperation zwischen den beiden Institutionen? Hier ein Museum, das eine Aufstockung der seit 2001 unveränderten Subvention (rund 2,7 Mio. Euro) fordert. Dort eine Foundation, die über ein zweistelliges Millionenvermögen verfügt, das selbst bei ungeschickter Veranlagung wohl 500.000 Euro jährlich an Zinsen abwirft.

Die Doppelfunktion der Entscheidungsträger wäre sogar von Vorteil: Peter Weinhäupl, kaufmännischer Direktor und zeitgleich Vorstand der Klimt-Foundation (auf Lebenszeit), und Andreas Nödl, Mitglied des LM-Vorstandes und zeitgleich Rechtsberater der Klimt-Foundation.

Reine Spekulation. Jedoch entspricht private Subventionierung im Kunstbereich den Vorstellungen des verantwortlichen Ministers und war (an anderer Stelle) als wünschenswert bezeichnet worden. Aber darum ging es in erwähntem Interview nicht.

Die Frage nach einer Zusammenarbeit beantwortete Smola mit einer anderen, "interessanten Perspektive", die wiederum mit den gegen die Foundation erhobenen Raubkunstvorwürfen zu tun hat: "Wenn in einem oder zwei Jahren die Provenienzen der Werke geklärt, etwaige strittige Fälle durch 'eine just and fair solution' gelöst und die Diskussion über das Thema verstummt" seien, sehe er darin kein Problem, "diese Werke als Leihgabe zu bekommen".

Familie Leopold kann diesen Plänen nichts abgewinnen. Das sei "seine Privatmeinung, die nicht mit dem Vorstand akkordiert wurde", betont Diethard Leopold. Schon weil "nicht absehbar ist, wie Restitutionsvergleiche verlaufen", möchten "wir uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt" explizit davon distanzieren.

Warten auf Dossier

Ein künstlerischer Leiter müsse Pläne schmieden können, und es sei legitim, derlei anzudenken, erklärt Nödl. "Für die Klimt-Foundation hat das keine Priorität" , momentan stünde Provenienzforschung auf dem Programm.

Und zwar für den von Ursula Ucicky, 91-jährige Witwe des NS-Propagandafilmregisseurs Gustav Ucicky, Anfang September vergangenen Jahres der Stiftung überantworteten gesamten Kernbestand: vier Ölgemälde sowie zehn Zeichnungen, von denen man jedoch nur fünf veröffentlichte. Angaben zu den anderen, "unbekannten" fünf wollte man auf Anfrage damals nicht liefern.

Vier Monate später ist der ursprünglich in der Causa Felsö­vanyi angepeilte Zeitrahmen Geschichte. Weinhäupl hatte das Ergebnis noch für den Herbst avisiert, Nödl für spätestens Weihnachten. Bereits im August hatte man ja eine Provenienzforscherin damit beauftragt.

Die Verzögerung hat einen Grund: Anfangs war es nur um das 1902 datierte Bildnis Gertrud Loew (Felsövanyi) gegangen, dessen problematische Vorgeschichte Sophie Lillie (in: "Was einmal war") bereits 2003 veröffentlichte und um das sich ihr Sohn Anthony Felso­vanyi bis zu seinem Tod im Oktober 2013 jahrelang bemühte.

Zu der von seiner Mutter auf der Flucht aus Österreich notgedrungen 1939 in Wien zurückgelassenen Sammlung gehörte allerdings auch eine Serie von sechs Klimt-Zeichnungen, die sich ebenfalls im Besitz der Foundation befindet, wie der STANDARD  (9.11.2013: Trockenübung am Attersee) nachweisen konnte. Theoretisch steht seither die Hälfte des Kernbestandes der Klimt-Foundation auf dem Prüfstand.

Wann und auf welche Weise Gustav Ucicky in den Besitz der sechs Frauenporträts kam, die ehemals als Teil der Raumkonzeption das von Kolo Moser ausgestattete Schlafzimmer Gertruds zierten, ist nicht bekannt. Bislang fanden sich keine konkreten Hinweise. Vermutlich erwarb Ucicky die Zeichnungen zeitgleich mit dem Gemälde aus dem Kunsthandel. Nach seinem Tod erbte seine Witwe Ursula auch das gezeichnete Sextett, wie das damalige Schätzgutachten belegt.

Vier davon waren übrigens im Zuge der von Peter Weinhäupl namens des Leopold-Museums kuratierten Eröffnungsausstellung des Klimt-Zentrums am Attersee im Sommer 2012 zu sehen gewesen: deklariert als Privatbesitz und ohne dass man sich zuvor um Provenienzforschung kümmert hätte.

Wo ist Nummer sechs?

Im Gespräch mit dem Standard bestätigt Ernst Ploil, Anwalt der Erben nach Felsövanyi, Verhandlungen "zu einem Gemälde und sechs Zeichnungen". Auf neuerliche Anfrage übermittelt die Foundation aktuell eine Liste des Zeichnungsbestandes. Auf dieser scheinen jedoch nur fünf der insgesamt sechs Blätter umfassenden Gruppe auf, die für den Fall Felsö­vanyi beforscht würden, wie Sandra Tretter, vormals LM-Kuratorin, nunmehr Geschäftsführerin der Foundation, wissen lässt.

Offenbar wurde das Ensemble im Zuge der Stiftungsgründung (unwissentlich) getrennt. Nur, wo befindet sich das sechste Blatt? Eventuell noch im Besitz der 91-jährigen Stifterin, die es nach ihrem Tod der Foundation zu vermachen gedenkt? Mutmaßung. Obwohl: Gustav Ucicky hatte mehr als zehn Zeichnungen von Gustav Klimt besessen.

In einem 1957 publizierten Artikel erwähnt seine spätere Ehefrau (Ursula Kohn) allein "18 gerahmte Skizzen". Gab es noch weitere, etwa in Mappen? Wurde im Zuge der Nachlassabhandlung 1961 tatsächlich die gesamte Sammlung erfasst, also sowohl die an der Wohnadresse in Wien (laut Schätzliste) als auch eventuell im Wochenendrefugium im niederösterreichischen Raach verwahrte Kunstwerke?

Derzeit sind zwei Provenienzforscher am Zug: jene der Klimt-Foundation  und jene im Auftrag der Erben nach Felsövanyi. Das gemeinsam erarbeitete Dossier soll Ende März vorliegen. Anschließend wird dieses von einer eigens bestellten Kommission, der Clemens Jabloner, Helmut Ofner und Franz-Stefan Meissel angehören, geprüft.

Und dann wird entschieden, ob für "Kunstwerke, die entzogen und nicht rückgestellt wurden", wie Andreas Nödl mit Verweis auf entsprechende Bestimmungen der Stiftungssatzung der Klimt-Foundation betont, "mit Erben eine faire und gerechte Lösung im Sinne der Washington Principals angestrebt wird". Ernst Ploil erhofft eine Naturalrestitution mit anschließender Versteigerung und Aufteilung des Erlöses. Zeitlicher Horizont: erstes Halbjahr 2014. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 25./26.1.2014)