Anfang September 2013, zu Beginn der New York Fashion Week. Der Start für die Kampagne "Balance Diversity" hätte nicht besser gewählt sein können. Es geht schließlich um internationale Aufmerksamkeit. Die Initiatorinnen der Kampagne, Naomi Campbell und Iman, wissen, wie das Business tickt.

Mit Bethann Hardison, einem afroamerikanischen Exmodel, heute Modelagentin, schickten die beiden einen offenen Brief an die Organisatoren der Modewochen der Frauen in New York, London, Paris und Mailand. Der Vorwurf: Designer und Modehäuser, die pro Show nur eines oder gar keine schwarzen Models engagieren, handeln rassistisch. Es folgen Auflistungen der Modeunternehmen, die eine weiße Modelpolitik fahren. Welche, kann seither jeder im Netz unter www.balancediversity.com nachlesen.

Warum sich Campbell, die selbst alles erreicht hat, für die Belange junger schwarzer Models engagiert? Das Model äußerte, sie fühle sich verantwortlich für den Nachwuchs (siehe auch RONDO vom 15. 11. 2013). Wohl auch, weil ihre persönliche Bilanz nach 27 Jahren im Business ernüchternd ausfällt: "Die Dinge haben sich nicht zum Besseren gewandelt."

Campbells Kritik am einseitigen Modelcasting ist nicht aus der Luft gegriffen. Die New York Times zog ein ähnliches Fazit: "Fast nichts hat sich verändert." Jezebel, das US-amerikanische Internetportal für Frauen, fühlt der New York Fashion Week seit fünf Jahren auf den Zahn. Die letzte Strichliste sagt: Während der 151 Schauen für die Herbst/Winter-Saison 2013 waren von 4479 Models 3706 weiß.

Weiße African Queen

In Paris sieht es nicht besser aus: Das Modehaus Dior ließ unter Raf Simons über sechs Präsentationen hinweg weiße Modelarmaden auflaufen, für die sommerliche Haute-Couture-Show 2014 engagierte man, wohl auch wegen zunehmender Kritik, erstmals sechs schwarze Models. In den Modestrecken der Magazine wurde im vergangenen Jahr gar zum Ganzkörper-Make-up gegriffen: Das sonst so stilsichere französische Magazin "Numéro" inszenierte in seiner Märzausgabe Ondria Hardin, ein 16 Jahre altes, blondes wie blauäugiges Model aus den USA, mit bronzefarbenem Teint als "African Queen".

Vorsicht ist überdies geboten, solange das Personal, das im Modebusiness an den Hebeln sitzt, hinter den Kulissen mit unmöglichen Maskeraden von sich reden macht. So geschehen während einer Halloweenparty in Mailand. Während die Mailänder Modemenschen tagsüber von der Socke bis zum Einstecktuch Haltung bewahren, legte die Mottoparty "Disco Afrika" die kruden Fantasien von so manchem prominenten Designer offen: Federschmuck auf dem Kopf, Plastikbananen um die Hüften oder eine ordentliche Portion schwarze Farbe ins Gesicht. Die Twitter-Accounts spuckten Ende Oktober unglaubliche Partybilder ins Netz - die Modeindustrie hatte einen waschechten "Blackface"-Skandal an der Backe. 

"Black Issue"

Und das, obwohl ausgerechnet die italienische Vogue-Chefin Franca Sozzani 2008 mit einer eigenen "Black Issue" vorpreschte und im Internet seit fast vier Jahren die Rubrik "Black" betreibt. Vereinzelt gibt es aber auch positive Nachrichten zu vermelden: In der Sommerkampagne 2014 von Givenchy ist kein einziges weißes Model zu sehen. Und: Prada engagierte mit Malaika Firth erstmals nach 19 Jahren für seine Winterkampagne 2013 ein schwarzes Model. Deren Vorgängerin war 1994 die damals 24-jährige Naomi Campbell. Sich mit einer (schwarzen?) Nachfolgerin für Malaika Firth bis ins Jahr 2032 Zeit zu lassen wird Prada sich sicher nicht leisten können. (Anne Feldkamp, Rondo, DER STANDARD, 17.1.2014)