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Wie Reporter ohne Grenzen Wladimir Putins Zugang zur Pressefreiheit sieht.

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Hardliner Kisseljow soll Putins Bild im Westen etwas anders zeichnen.

Foto: AP Photo/RIA Novosti

Über Nacht hat Russlands Staatschef Wladimir Putin per Präsidentendekret die staatliche Nachrichtenagentur „Russland heute" gegründet. Sie ersetzt die staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti und den Sender "Stimme Russlands" und soll vor allem der Außendarstellung Russlands dienen. Kolportiertes Budget: mehr als 170 Millionen Euro.

Zum Chefredakteur wurde einer der bekanntesten und zugleich umstrittensten Journalisten des Landes berufen: Dmitri Kisseljow. Seine Aufgabe sei es, ein "gerechteres" Bild von Russland in der Welt wieder aufzubauen - "von einem wichtigen Land mit guten Absichten". So umriss er selbst seine Mission.

Das Personal werde er behalten, versprach er seinen neuen Untergebenen, die radikalen Umbau in der größten russischen Nachrichtenagentur fürchteten. Nicht ganz unbegründet: Unter Chefredakteurin Swetlana Mironjuk hatte sich Ria Nowosti zu einem der liberalsten staatlichen Medien gewandelt.

"Offenbar hat man im Kreml entschieden, dass die Leine zu lang war oder sogar ganz fehlte, dass die Führung der Agentur Miesmacherei betreibt und dass es jetzt, besonders vor dem Hintergrund der Ereignisse in Kiew, die der Kreml mit erhöhter Emotionalität verfolgt, nötig ist, die Leine zu kürzen und die Struktur zuverlässiger zu machen", urteilt der bekannte Journalist und Bürgerrechtler Nikolai Swanidse. Mit Kisseljow wurde ein hundertprozentig kremltreuer Mann als neuer Chefredakteur installiert.

Herzen verbrennen"

Kisseljow, Jahrgang 1954, ist weit mehr als das: Er, der selbst viele Jahre als Korrespondent in Skandinavien und Polen gelebt hat, Anfang der 90er sogar für die ARD, gilt inzwischen als radikal-konservativer Hasser des Westens. Die Ereignisse in der Ukraine wertete er als Komplott Schwedens, Polens und Litauens, um sich für die Niederlage von Poltawa 1709 (!) zu revanchieren.

Die Demonstranten in Kiew selbst bezeichnete er in seinen TV-Sendungen als Barbaren "mit leeren Augen" und handelte sich dafür sogar einen "Oscar" von seinen ukrainischen Kollegen „für seine Lügen und seinen Blödsinn über den Euro-Maidan" ein.

Noch härter trat er gegenüber Homosexuellen auf: Ihnen „muss man das Blut- und Samenspenden verbieten und ihre Herzen sollte man nach einem Unfall vergraben oder verbrennen als unbrauchbar für die Verlängerung irgendeines Lebens", sagte Kisseljow in einer Sendung. Wenn Schwule und Lesben in Russland überfallen würden, so sei das ihre Schuld, da sie die Gesellschaft provozierten.

Mehr Staatssender

In Russland hat seine Agitation durchaus Erfolg. Doch zur Repräsentation Russlands nach außen?

Ria Nowosti kehre mit Kisseljow zu den Wurzeln als Sowinformbüro zurück, sagt der Publizist Iwan Sassurski. Ab 1941 diente dieses der Propaganda im Zweiten Weltkrieg. Der Kreml verschärft die Kontrolle über die eigenen Medien - und vermehrt sie.

Erst Ende November hat die mehrheitlich staatliche Gazprom-Media ihren Konkurrenten Prof-Media vom Milliardär Wladimir Potanin übernommen. Mit deren drei Fernsehsendern und einer Radiogruppe steigt der Markt­anteil der ohnehin schon beherrschenden Gazprom-Media auf mehr als 30 Prozent. (André Ballin aus Moskau, DER STANDARD, 12.12.2013)