Suchbild mit Hobbit: Martin Freeman als Bilbo Beutlin in "Smaugs Einöde" , dem zweiten Teil der "Hobbit"-Trilogie.

Foto: Warner Bros.

Wien - Er sei etwas genervt von der "Zerstörungspornografie" Hollywoods, bekannte Damon Lindelof im Sommer angesichts einer Welle von Apokalypse-Blockbustern in den Kinos. Lindelof ist nicht irgendwer: Als einer von Hollywoods momentan beliebtesten Drehbuchdoktoren für sogenannte Event-Movies ist er selbst einer der Hauptschuldigen an diesem Überbietungswahn. "Wenn man mehr als 100 Millionen für einen Film ausgibt, muss es ums Schicksal der Welt gehen", erklärte er dem New York Magazine, "das wird nicht unbedingt explizit gefordert, es passiert einfach irgendwie" - so gebieten es die ungeschriebenen Regeln kapitalistischer Logik.

Aufgepumpter Zwerg

Dass mit Der kleine Hobbit ausgerechnet ein Kinderbuch dieser Logik zum Opfer gefallen ist, ist geradezu tragisch - war aber tatsächlich wohl unvermeidlich. Wirkte schon Der Hobbit - Eine unerwartete Reise im Vergleich zu diesem Buch aufgeblasen wie ein mit Steroiden zum Superhelden aufgepumpter Zwerg, so entfernt sich der zweite Teil der Kinotrilogie Der Hobbit - Smaugs Einöde noch weiter von J. R. R. Tolkiens Vorlage. Mit Kindern sollte man sich Peter Jacksons Film, in dem mehr und lustvoller Köpfe abgetrennt werden als in den meisten Horrorfilmen, jedenfalls nicht anschauen - die Altersfreigabe ab zwölf Jahren (in Wien: ab zehn) ist wie schon beim Vorgänger sehr generös.

Natürlich muss sich eine Buchverfilmung nicht sklavisch an die Vorlage halten, doch Peter Jackson selbst hat mit seiner Verfilmung von Tolkiens Hauptwerk Der Herr der Ringe gerade in der Hinsicht den Maßstab geliefert. Ist ihm doch mit dieser Trilogie gelungen, was vorher kaum jemand erwartet hätte: ein Epos, das völlig überzeugend die aus dem Buch bekannte Welt zum Leben erweckt und zugleich eigenständig als großes Kinoerlebnis funktioniert.

Selbst die mit religiösem Eifer über Mittelerde wachenden Fans waren mit großer Mehrheit überzeugt: Jackson hatte den richtigen Ton getroffen, daher fielen Eingriffe beim Plot kaum auf. Bei den ersten beiden Teilen des Hobbit wirkt es dagegen genau umgekehrt: Da der Ton so anders ist als im Buch, fallen selbst kleine Änderungen auf.

Anders formuliert: Eine unerwartete Reise und Smaugs Einöde orientieren sich weniger an der literarischen Vorlage als an den Herr der Ringe -Filmen, für die sie wie ein Prequel fungieren - jene in den letzten Jahren so beliebten Vorgeschichten zu großen Action- oder Fantasy-Mehrteilern.

Mehr, mehr, mächtiger

In der Höher-schneller-weiter-Logik Hollywoods war das wohl der einzig mögliche Ansatz bei einer mehrere Hundert Millionen Dollar teuren Trilogie. Der Hobbit - das "klein" des deutschen Buchtitels dürfte nicht zufällig weggefallen sein - muss sich mindestens so groß anfühlen wie Der Herr der Ringe, auch wenn das die Vorlage nicht hergibt. Und der zweite Teil muss den ersten übertreffen: mehr Action, mehr Geschwindigkeit, mächtigere Gegner.

Tatsächlich wird in Smaugs Einöde der Eindruck erweckt, es gehe nicht darum, dass die Zwerge und Bilbo (verkörpert von Martin Freeman) dem Drachen seinen Schatz entreißen, sondern dass letztlich das Schicksal ganz Mittelerdes verhandelt wird. Denn erst so kann die gleiche Fallhöhe hergestellt werden wie bei den Herr der Ringe-Filmen.

Wer den Hobbit nicht gelesen hat, kann sich natürlich ganz unbeschwert auf die Erweiterung der Ring-Geschichte einlassen. Als "Kino der Attraktionen" ist Smaugs Einöde erwartungsgemäß spektakulär. Seien es die digitalen Riesenbienen, die zu Beginn mithilfe der 3-D-Technik dem Zuschauer vor der Nase schwirren, oder die immer lebensechter werdenden Kampfsequenzen mit rein animierten Figuren - hier lässt sich ablesen, welchen Sprung die Tricktechnik noch einmal in den wenigen Jahren seit dem letzten Teil des Herrn der Ringe gemacht hat. (Die Pressevorführung lief mit der üblichen Bilderzahl von 24 pro Sekunde, ob es Verbesserungen bei der im letzten Jahr viel kritisierten HFR-Technik mit 48 Bildern gibt, lässt sich an dieser Stelle daher nicht beurteilen.)

Jackson bekommt allerdings zunehmend ein Problem damit, die langen und mit viel Liebe und Erfindungsgeist inszenierten Actionsequenzen mit intimeren Momenten auszubalancieren. Dazu haben er und seine bewährten Mitautorinnen Fran Walsh und Philippa Boyens eine weibliche Elbenfigur zur Vorlage hinzugedichtet, die zugleich von einem Zwerg und einem Elben begehrt wird.

Doch auch wenn Lost-Darstellerin Evangeline Lilly eine passende Besetzung ist, sie allein kann wenig ausrichten gegen eine Armada bluthungriger Orks, missmutiger Menschen und verstockter Zwerge. (Sven von Reden, DER STANDARD, 11.12.2013)