"Path of Exile" ist als F2P-Spiel für PC erschienen.

Foto: Grinding Gear Games

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Der Skill-Tree

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Eines vorweg: Wer beim bloßen Gedanken an das bei Herausgebern und Entwicklern immer beliebter werdende "Free to Play"-Geschäftsmodell (F2P) allergische Abwehrreaktionen bekommt, sollte auf diese Ausgabe von "Free Friday" im GameStandard verzichten. Alle anderen sollten aber die Ohren spitzen, denn mit "Path of Exile" erschien Donnerstag dieser Woche die finale Version eines der ambitioniertesten Action-Rollenspiele der letzten Jahre - und passionierte Monstertotklicker müssen dafür tatsächlich kein Geld in die Hand nehmen.

Doch der Reihe nach: Im November 2006 beginnt der Weg, der diese Woche mit dem Abschluss der offenen Betaphase von "Path of Exile" sein Ende gefunden hat. Unzufrieden mit dem endlos erscheinenden Warten auf den dritten Teil von Blizzards "Diablo"-Reihe versammelt sich im neuseeländischen Auckland unter dem Namen Grinding Gear Games ein ambitioniertes Team, um das ultimative Action-Rollenspiel in der Nachfolge des großen "Diablo 2" auf die Beine zu stellen. Seit Januar 2013 lief die offene Beta - und diese konnte bereits im Sommer auf 2,4 Millionen registrierte Spieler verweisen. Mit dem endgültigen Release diese Woche wird die Zahl der Spieler im auf Hochglanz polierten MMO-Erben von Blizzards Suchtklassikern mit Sicherheit noch einmal nach oben schnellen.

Das bessere "Diablo"?

Für die begeisterte Betagemeinde ist nicht erst seit dem durchwachsenen Start und darauf folgenden Absturz von Blizzards "Diablo 3" Neuseeland das neue Zentrum ihrer Lieblingspassion. Das Indie-Entwicklerstudio GGG kann aber auch auf einige Innovationen, so manche behutsame Neuinterpretation und ein paar Einzigartigkeiten verweisen, die "PoE" vom weithin als missglückt geltenden Blizzard-Original abheben. Die Basics sind altbekannt und deswegen kaum die gesonderte Aufzählung wert: Fixe Kamera, Zufallsgenerierung, sieben Charakterklassen, drei Attribute, drei große Akte mit unterschiedlichem Stil, Monstern und Quests, Multiplayer, zwei Ligen, Crafting, spezielle Race-Events, ein extrem flexibles Socketingsystem und Millionen von Items - das meiste davon gehört quasi zur Fixausstattung im Genre und wird von "PoE" bis ins Detail wie erwartet abgedeckt.

Der passive Skilltree zum Beispiel ist allerdings ein Hinweis auf die gewaltige unter der Oberfläche lauernde Komplexität: 1350 (!) verschiedene Fähigkeiten gibt es hier allein.An der minutiösen Abstimmung allein dieses monströsen Experimentierlabors mit Gems, Items, Klassen und aktiven Skills werden Spieler lange zu tüfteln haben. Dank des sehr umfangreichen, über zehn Monate dauernden Betatests ist Grinding-Gear-Games-CEO Chris Wilson zuversichtlich, ein nahezu perfekt ausbalanciertes System anbieten zu können. "Die Lektionen, die wir durch die lange Betaphase gelernt haben, haben sich ausgezahlt. Das Resultat ist eine viel stabilere Item-Economy", freute er sich im Interview mit Incgames über einen kleinen Seitenhieb in Richtung "Diablo 3".

Free to play - oder Pay to Win?

"Path of Exile" schickt sich also an, aus dem Stand eine große Nische im Genre für sich zu belegen - aber um welchen Preis? Kritiker des Free-to-Play-Modells warnen, die kostenlosen Spiele wären mit eigentlich noch höheren Kosten verbunden als die klassischen Vollpreistitel - durch In-App-Käufe, die Spielbalance zerstörende Kaufitems oder schlicht den kostenlosen Spielfluss zerstörende künstliche Wartezeiten und Spielhürden, die nur gegen bare Münze verschwinden würden. "Pay to Win" ist die rundum verhasste dunkle Kehrseite des F2P-Modells - wenn sich Spieler gegen echtes Geld unfaire Vorteile oder Spielerfolge erkaufen können, verlieren viele Spieler die Lust an den digitalen Sparbüchsen.

Wie weit diesen Skeptikern in Bezug auf "Path of Exile" Recht gegeben werden muss, lässt sich angesichts dessen Jugend nicht mit Sicherheit sagen - fest steht nur, dass "PoE" zum regulären Start eine strikte Anti-Pay-to-Win-Philosophie verfolgt. Die im In-game-Store gegen echtes Geld erhältlichen Items, Animationen und Interface-Komfort-Tweaks sollen ausschließlich kosmetischer Natur sein und z.B. nur zur optischen Differenzierung besonders involvierter und begeisterter Spieler gedacht sein. Auch auf käufliche Erfahrungs-Buffs will man verzichten und sein Geld nur mit zufriedenen Fans verdienen, die nach der im Genre üblichen tagen- und wochenlangen Intensivbeschäftigung mit dem eigenen Character-Build oder der Item-Customization ihren digitalen Alter Egos gegen echtes Geld etwas optische Individualität vergönnen wollen.

Hehres Ziel

"Free to Play" ohne Spielerabzocke - ein hehres Ziel, das sich die Neuseeländer für "Path of Exile" auf die Fahnen geschrieben haben. Nicht nur für von "Diablo 3" enttäuschte Action-Rollenspieler mit Neigung zum zwanghaften Klicken und zum Studium langer Tabellen ist "Path of Exile" auch dank einiger frischer Ideen und beachtlicher Spieltiefe auf jeden Fall eine Empfehlung wert. Wer nach ausführlichem Versinken im Rausch des Monstertotklickens den Entwicklern per Kauf von Vanity-Items seinen Dank aussprechen will, wird sich auch nicht mehr über das Geschäftsmodell beklagen. (Rainer Sigl, derStandard.at, 25.10.2013)