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Leonarda Dibrani (ganz rechts) vor Journalisten im kosovarischen Mitrovica: Hollandes Rückkehrangebot nur für sie allein sei Rassismus, es gehe um die ganze Familie.

Foto: AP

"Ein Flop": Die Einschätzung der Boulevardzeitung Le Parisien resümiert die meisten Kommentare nach dem Fernsehauftritt von François Hollande. Der französische Staatschef trat am Samstag im feierlichen Dekor des Élysée-Palastes vor die Kameras, um Kraft seines hohen Amtes ein Machtwort zu sprechen.

Erstens: Die Ausweisung der Roma-Familie Dibrani samt Tochter Leonarda sei laut Behörden "rechtmäßig" gewesen. Zweitens: Wenn sie wolle, dürfe die 15-Jährige "in Anbetracht der Umstände" zurück nach Frankreich zur Schule, aber "nur sie allein".

Mit diesem salomonisch gemeinten Entscheid suchte Hollande die tagelangen Proteste von Mittelschülern gegen die Ausweisung zu besänftigen. Die Reaktion fiel allerdings nicht wie erwünscht aus. Kaum eine halbe Stunde später meinte Leonarda in Mitrovica (Kosovo) über französische Mikrofone, sie werde sich nicht von ihrer Familie trennen.

Wenig Zuspruch für Hollande

Lieber bleibe sie bei ihren Eltern und den fünf Geschwistern, die auch eine Schulbildung bräuchten. "Unsere Rückkehr nach Frankreich nicht zu akzeptieren, ist Rassismus", meinte sie wütend auf Französisch.

Drastische Worte gab es auch in politischen Kommentaren, auf der Rechten wie der Linken. "Frankreich fabriziert eine Waise", meinte der Immigrationsanwalt Edouard Bera. Die Linkspartei sprach von einer "widerwärtigen Grausamkeit", die zu einer Familientrennung führen würde.

In der sozialistischen Regierungspartei äußerten ganz wenige Stimmen Zuspruch für Hollande. Parteichef Harlem Désir missbilligte den Entscheid. Innenminister Manuel Valls, der die mehreren Tausend Roma-Ausweisungen seit einem Jahr verantwortet, erklärte am Sonntag in einem Zeitungsinterview selbstbewusst: "Nichts wird mich von meinem Kurs abbringen."

Auftrieb für Le Pen

Auf der Rechten hagelt es nicht minder scharfe Kritik. Der Chef der konservativen Union für eine Volksbewegung (UMP), Jean-François Copé, bezeichnet Hollandes Angebot als "schrecklichen Rückschlag für die staatliche Autorität. Das verleihe dem rechtsextremen Front National Auftrieb. "Wir müssen aufhören, das sozial attraktivste Land Europas für Ausländer zu sein", meinte Copé.

Auch die Mittepolitiker Jean-Louis Borloo und François Bayrou warfen Hollande vor, er verwechsle Emotion und Regierungspflicht; es gebe keinen einsichtigen Rechtsgrund, Leonarda zurückzuholen. Für Entrüstung hatte gesorgt, dass die Polizei das 15-jährige Mädchen von einem Schulausflug weggeholt und samt Familie ins Flugzeug gesteckt hatte.

Vater Dibrani führte in Mitrovica gegenüber französischen Medien freimütig aus, wie er seine Asylanträge gefälscht habe. In Umfragen haben sich 65 Prozent der Franzosen gegen die Rückkehr Leonardas ausgesprochen. Für Hollande, der sich zwischen den erstarkenden Lagern zur Linken und Rechten immer mehr eingezwängt sieht, ist die Affäre kaum ausgestanden. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 21.10.2013)