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Zeugenstand im großen Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Wien. Ein Stromausfall unterbrach den Justizdatenprozess. 

Foto: APA/Pfarrhofer

Wien - Der Prozess um die Justizdatenaffäre ging am Dienstagabend mit Schuldsprüchen gegen alle Angeklagten zu Ende. Der Schöffensenat unter Vorsitz von Richterin Stephanie Öner entschied auf bedingte Haftstrafen gegen alle zwölf Gerichtsbediensteten. Sie wurden für schuldig befunden, von 2002 bis 2010 Exekutionsdaten von knapp 40.000 juristischen und 92.000 Privatpersonen weitergegeben und dafür insgesamt etwa 300.000 Euro kassiert zu haben.

Öner verurteilte die Justizbeamten zu bedingten Haftstrafen zwischen sechs und 24 Monaten - mit einer dreijährigen Probezeit. Für die Richterin waren die Abfragen und Weitergaben der Daten "nicht nachvollziehbare Handlungen", die von Bediensteten getätigt worden waren, die einen "verantwortungsvollen Posten" innehatten.

Sicherlich große Nachfrage

Vor dem Spruch erbaten die Verteidiger für die Beschuldigten milde Urteile. Staatsanwalt Wolfgang Handler sprach hingegen von "ganz klarem Missbrauch". Dass sich mehrere Angeklagte bis zuletzt uneinsichtig gezeigt hatten, erregte sein Missfallen: "Wenn das (Weitergeben von Daten, Anm.) okay wäre - warum machen das dann nicht alle? Die Nachfrage wäre sicherlich groß."

Auf die Aussage einer Justizbeamtin, sie habe hinter dem Ankauf der Daten "rechtliches Interesse" vermutet und sich deshalb "nichts dabei gedacht", meinte Handler: "Das ist sowas von aus der Luft gegriffen, dass ich es gar nicht fassen kann."

Zwangspause durch Stromausfall

Davor hatte Dienstagvormittag ein totaler Stromausfall im gesamten Wiener Straflandesgericht für eine mehrstündige Zwangspause gesorgt. Zuvor war der vermutlich letzte Zeuge - ein Angestellter des Bundesrechnungszentrums (BRZ) - einvernommen worden. Er sollte darüber Auskunft geben, wer von den Angeklagten wann was abgefragt hat.

Nachdem am vergangenen Mittwoch die Einvernahmen der zwölf angeklagten Justizmitarbeiter abgeschlossen werden konnten, sollte der BRZ-Mitarbeiter zum inkriminierten Modus Operandi aussagen. Auf sämtliche weiteren Zeugen war verzichtet worden, da die Angeklagten - vom Gerichtsvollzieher bis zur Kanzleikraft - die inkriminierte Weitergabe von Daten und die Zahlungsflüsse (zwischen 3500 Euro und 133.000 Euro pro Person) nicht bestritten.

Es werde "jede Tastenbewegung protokolliert", erklärte der BRZ-Experte. Über Rückschlüsse aus der Datenbank könnten die Ergebnisse jeder Suchabfrage nachvollzogen werden. Zur Frage der vorsitzenden Richterin Stephanie Öner, ob die Begründung einiger Angeklagter gerechtfertigt sei, sie hätten nicht gewusst, das man Daten nicht weitergeben dürfe, meinte der Zeuge: "Eine Nutzerkennzeichnung ohne vorherige Schulung gibt es nicht."

Alle waren informiert

Soll heißen: Jeder Justizmitarbeiter, der Zugriff auf die Datenbanken habe, müsste über Rechte und Pflichten genau informiert sein. Wie der Standard berichtete, werden zwei weitere Beschuldigte ein eigenes Verfahren bekommen. Sie waren aus gesundheitlichen Gründen nicht verhandlungsfähig.

Einer der beiden ist der Hauptangeklagte, der sich nach einem Suizidversuch in stationärer Spitalsbehandlung befindet. Der 68-jährige Chef einer Wiener Kreditauskunftei soll den anderen Beschuldigten, Gerichtsbedienstete aus ganz Österreich, von 2002 bis 2010 nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Daten aus dem elektronischen Register der Justiz (VJ-Register) abgekauft haben.

Diesen Datenschatz soll der Unternehmer daraufhin weitergegeben haben, wobei seine Firma zuletzt de facto eine Monopolstellung innehatte, was Auskünfte über die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Privatpersonen betrifft. Wie Staatsanwalt Handler ausführte, soll der 68-Jährige mit den illegal beschafften und weitergegebenen Vermögensverzeichnissen und Listenabfragen aus laufenden Exekutionsverfahren monatlich bis zu 32.000 Euro verdient haben. (APA/red, DER STANDARD, 16.10.2013)