Eine Woche nach der Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa liegt eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen zum Thema Migration auf dem Tisch. Die einen sagen, Regierungen und EU-Kommission sollen ihre Entwicklungspolitik für afrikanische Staaten überdenken. Nur wenn sich die Lebensbedingungen der Menschen verbessern, strömten sie nicht nach Norden. Gut gedacht. Die EU und ihre Staaten kürzen seit längerem die Mittel dafür.

Andere wollen den Umgang mit Asylwerbern überdenken, einen faireren Verteilungsschlüssel zwischen den Staaten erreichen. Auch das ist sinnvoll. Derzeit sind die Lasten ungleich verteilt, treffen die Randzonen. Auch eine vereinheitlichte - mindestens harmonisierte - europäische Einwanderungspolitik wäre angesagt, im Kontrast zum Kampf gegen Menschenhandel und Schlepperei. All das wären wichtige Schritte. Und das dauert lange.

All das darf aber das Wichtigste nicht überdecken: Es gibt mit Italien ein EU-Land, in dem ein Gesetz Hilfe für Flüchtlinge in Seenot unter Strafe stellt. Es stammt aus der Zeit der Rechts-rechts-außen-Regierung Berlusconi 2002. Und die italienische Küstenwache hat offenbar stundenlang gebraucht, bis sie sich zur Hilfe für die Ertrinkenden aufraffte. Das macht die Tragödie zum europäischen Skandal. Der ist nicht ein Fall für philosophische Debatten über bessere Migrationspolitik, sondern ein Fall für einen EU-Untersuchungsausschuss. Herr Barroso, übernehmen Sie! (Thomas Mayer, DER STANDARD, 9.10.2013)