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Junge Frau sucht - und findet - ihre Bestimmung: die grandiose Greta Gerwig in und als "Frances Ha". 

Foto: Filmladen; AP/Breloer

Wien - "Wir sind eine Person", sagt Frances, wenn sie ihr Verhältnis zu ihrer besten Freundin Sophie beschreiben will. Doch Sophie hat nicht mehr so viel Zeit für die 27-Jährige, ihr Freund geht neuerdings vor. Frances (Greta Gerwig) muss aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen und lässt sich in der Folge durch New York treiben, von einer WG zur nächsten.

Noah Baumbachs siebenter Langfilm ist nah dran an der aktuellen Realität junger Großstädter und zugleich stilistisch eine Hommage an die Nouvelle Vague der 60er-Jahre. Frances Ha wirkt bisweilen, als habe François Truffaut ein Kinoremake von Lena Dunhams viel diskutierter HBO-Serie Girls gedreht. Der Vintage-Appeal passt bestens zur Retromania der Figuren, samt übergroßen Hornbrillen und Plattensammlung.

Hinter diesen oberflächlichen Signifikanten verbirgt sich allerdings geradezu klassische Handwerklichkeit, die Baumbachs Film von vielen anderen US-Indieproduktionen abhebt. Mit Frances Ha ist ihm - und seiner Koautorin und Hauptdarstellerin Gerwig - eine beschwingte romantische Komödie gelungen, in der die Suche nach "Mr. Right" ausnahmsweise keine Rolle spielt.

STANDARD: "Frances Ha" ist ein Film über die Bedeutung von Freundschaft. Würden Sie sagen, dass Freundschaften heute haltbarer sind als Liebesbeziehungen?

Baumbach: Ich habe sehr enge Freunde seit meiner Kindheit und sehe sie als eine Art Familie. Das Gleiche gilt für Greta und ihre Freunde aus der Studienzeit. Aber als ich Ende 20 war, gab es eine Phase, wo meine Freundschaften einfach dadurch in Gefahr gerieten, weil man ernsthafte Paarbeziehungen einging. Darüber habe ich viel nachgedacht, als ich Frances Ha geschrieben habe.

STANDARD: Die Tatsache, dass die Titelheldin nicht akzeptieren will, dass ihre beste Freundin mehr Zeit mit ihrem Partner verbringt, ist ein Symptom dafür, dass sie nicht erwachsen werden will. Das ist ja ein Lieblingsthema der US-Komödie der letzten Jahre - nur geht es da immer um Männer. Wollten Sie sich von diesen Filmen abgrenzen?

Baumbach: Ja, ich wollte zeigen, dass Frauen genauso unreif sein können wie Männer (lacht).

STANDARD: Frances ist weniger selbstbezogen als übliche Protagonisten der Kindskopf-Komödien.

Baumbach: Sie redet zumindest weniger über Popkultur und hat keine Plattensammlung.

STANDARD: Wie schaffen Sie es, kleine, peinliche Alltagssituationen so treffend darzustellen?

Baumbach: So sehe ich halt die menschliche Interaktion: als zumeist peinlich. Das mache ich nicht bewusst, das kommt einfach dabei heraus, wenn ich Szenen schreibe, in denen sich Menschen begegnen. Eine Abschrift eines meiner Tage wäre voll von solchen Momenten.

STANDARD: Der Rhythmus Ihres Films ist sehr auffällig: Von Musik getragene, energiegeladene Montagesequenzen wechseln sich ab mit langen Dialogen. War das im Drehbuch schon so angelegt?

Baumbach: Ja, ich hatte diesen Rhythmus schon im Kopf, als ich mit dem Dreh anfing. Der Film beginnt mit kurzen Szenen, die die Euphorie der Freundschaft zwischen Frances und Sophie vermitteln. Danach folgt eine Sequenz, die sich scheinbar in Realzeit abspielt, in der Frances mit ihrem Freund Schluss macht. Diese beiden Szenen geben im Prinzip den Rhythmus des Films vor. Vielleicht kann man das ein bisschen mit einem Song von Nirvana oder den Pixies vergleichen, wo sich schnelle und langsame, laute und leise Passagen abwechseln.

STANDARD: David Bowies "Modern Love" sticht aus dem Soundtrack heraus, aber vor allem prägt den Film die Musik des französischen Filmkomponisten Georges Delerue.

Baumbach: Wir haben unter anderem Musik aus François Truffauts Sie küssten und sie schlugen ihn und Schießen Sie auf den Pianisten verwendet.

STANDARD: Dazu passt, dass "Frances Ha" in Schwarz-Weiß gedreht wurde. Was war der Grund?

Baumbach: Durch das Schwarz-Weiß wirkt er zugleich alt und neu. Bei Schwarz-Weiß denkt man an alte Filme, aber es fühlt sich auch frisch an, weil man es nicht mehr oft sieht - besonders nicht in einem Film, der in der Gegenwart spielt und junge Leute in ihren Appartments in Brooklyn zeigt. Aber diese Spannung besteht nicht nur im Hinblick auf das Schwarz-Weiß. Wir haben Frances Ha ziemlich klassisch und streng gedreht. Er sollte schön und elegant aussehen, nicht schludrig gemacht, sollte sich nach großem Kino anfühlen, nach Romantik. Daher auch die Delerue-Musik.

STANDARD: Soll "Frances Ha" also auch eine Hommage an die Nouvelle Vague sein?

Baumbach: Er soll den Geist der Nouvelle Vague einfangen. Ich liebe die Filme von Truffaut und Rohmer, sie fühlen sich so leicht dahingeworfen an. Aber das täuscht. Alles, was ich an Kino liebe, ist in ihnen zu finden. In allen meinen Filmen versuche ich, diesem Beispiel zu folgen.

STANDARD: Ein anderer naheliegender Vergleich wäre der mit "Girls" von Lena Dunham. Auch da geht es ja um junge Frauen im gegenwärtigen New York, die Probleme haben, im Leben Fuß zu fassen.

Baumbach: Das stimmt, aber Girls lief noch nicht im Fernsehen, als wir Frances Ha gedreht haben. Aber ich finde die Serie toll. Lena ist sehr talentiert und komisch.

STANDARD: Wie haben Sie und Greta Gerwig am Drehbuch gearbeitet?

Baumbach: Die Idee für das Drehbuch war anfangs sehr allgemein: eine junge Frau in ihren 20ern in New York. Ich bat Greta, mir Anregungen zu schicken. Es dauerte etwas, aber dann kam diese lange Mail mit allen möglichen kleinen Ideen, zum Beispiel für die Szene, in der Frances entscheiden muss, ob sie am Geldautomaten Gebühr bezahlt oder einen anderen Automaten sucht. Kleine Szenen, die aber viel über die Figur und unsere Zeit aussagen. Ich habe Gretas Ideen ergänzt mit eigenen, irgendwann haben wir angefangen, sie auf einzelne Szenen zu verteilen.

STANDARD: Gerwig hat auch Talent für physische Komik. Auch wenn sie im Film eine Tänzerin spielt, ihre körperliche Ungeschicklichkeit sorgt für viele Schmunzler.

Baumbach: Sie macht im Film Modern Dance, und bei dieser Art von Choreografien liegt - ähnlich wie bei den Dialogen im Film - die Schönheit oftmals in der Unbeholfenheit. (Sven von Reden, DER STANDARD, 10.9.2013)