Christoph Dovits, Gehaltsexperte bei der Managementberatung Kienbaum.

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Das Einkommen von Österreichs Managern steigt. Im Frühjahr 2013 waren es im Jahresvergleich 4,5 Prozent. Im Schnitt kommt ein Geschäftsführer auf ein Salär von knapp 300.000 Euro jährlich, das zeigt - wie berichtet - eine aktuelle Studie von Kienbaum. Im Interview mit derStandard.at erklärt Studienleiter und Vergütungsexperte Christoph Dovits, warum die Gehälter wieder anziehen und welche Studienrichtungen hohe Gagen versprechen.

derStandard.at: Die Gehaltssteigerungen bei Managern liegen mit 4,5 Prozent deutlich über der Inflation. Man bekommt den Eindruck, dass die Wirtschaftskrise vorbei ist - zumindest in den Chefetagen.

Dovits: Wenn man sich das wirtschaftliche Gesamtbild ansieht, ist eine leichte Erholung feststellbar, wobei sich der Euroraum noch in einer schwierigen Phase befindet. Auch hier gibt es starke Unterschiede, Österreich beispielsweise ist in einer Phase der Stagnation. Global gesehen befinden wir uns im Mittelfeld. Und das trifft auch auf die Gehaltssteigerungen zu. In Österreich haben wir ja für fast alle Branchen Kollektivverträge mit Lohnsteigerungen, die jedes Jahr ausverhandelt werden. Im Schnitt sind es - mal mehr, mal weniger - um die drei Prozent mehr Lohn, den die Beschäftigten bekommen.

derStandard.at: Aber nicht 4,5 Prozent wie die Gruppe der Manager.

Dovits: Für manche Beschäftigungsgruppen ist das die Ausgangsbasis für die Verhandlung, also Erhöhung laut Kollektivvertrag, und auf der anderen Seite kommt noch die individuelle Verhandlungsebene, die allen Mitarbeitern offensteht. Im Rahmen von Mitarbeitergesprächen etwa, so gesehen geht es bei vielen oft über die drei Prozent hinaus.

derStandard.at: Geht es bei vielen dann insgesamt in Richtung vier, fünf Prozent?

Dovits: Das hängt sehr stark von der Unternehmensphilosophie ab, wie mit dem Thema Gehaltserhöhungen umgegangen wird. In größeren Firmen gibt es oft klare Systeme, die viele Dinge berücksichtigen. Etwa die Kompetenzentwicklung, die Leistung oder die Lage im Gehaltsband. Faktoren, die zum Ausdruck bringen, wie wichtig der Mitarbeiter für das Unternehmen ist.

derStandard.at: Was sind die Gründe, warum die Managergehälter überproportional steigen?

Dovits: Wir sehen nicht unbedingt, dass sie überproportional steigen, da etwa auch die Gehälter der Spezialisten um 4,5 Prozent anziehen, bei den Sachbearbeitern sind es vier Prozent. Im Vorjahr war das beispielsweise umgekehrt. Die Gehälter der Führungskräfte sind weniger stark gestiegen als jene von anderen Gruppen. Man darf sich nicht dazu verleiten lassen, die Manager zu verteufeln. Was man sagen kann, ist, dass Führungskräfte - damit meine ich jetzt Positionen vom Geschäftsführer bis zum Teamleiter - üblicherweise einen höheren variablen Anteil am Gehalt haben. Dieser Trend lässt sich auch in Österreich feststellen.

derStandard.at: Wie hoch ist der variable Anteil am Gehalt derzeit?

Dovits: Im Top-Management kommen wir auf 31 Prozent. In den Ebenen darunter sind es zwischen elf und 20 Prozent.

derStandard.at: Die Schere zwischen Managergehältern und den Einkommen von Arbeitern und Angestellten geht Ihrer Meinung nach nicht weiter auf?

Dovits: Wenn wir jetzt von Mitarbeitern ausgehen, die nur jedes Jahr die Erhöhung laut ihrer Kollektivverträge bekommen, also um die drei Prozent, dann gibt es natürlich Unterschiede. Ob das ein genereller Trend ist, kann ich nicht sagen. Wenn wir uns die Einkommensverteilung zum Beispiel nach dem Gini-Koeffizienten ansehen, stellen wir fest, dass wir in Österreich im Vergleich mit 125 anderen Ländern immer zwischen dem fünften und zehnten Rang und damit deutlich vor vielen anderen Ländern – etwa vor den USA, aber auch vor Deutschland und der Schweiz - liegen. In Relation zu anderen Ländern sind die Einkommen in Österreich relativ gleich verteilt.

derStandard.at: Die Gehälter im Management finden Sie also nicht zu hoch?

Dovits: Nein, in Österreich sehe ich keine Gagenexzesse, und die Gehälter der Geschäftsführer sind meiner Einschätzung nach gerechtfertigt und der Verantwortung angemessen.

derStandard.at: Fast überall wird gespart, Stellen werden abgebaut, auf der anderen Seite erhalten Manager höhere Gehälter. Ist das nur ein subjektives Gefühl der Ungerechtigkeit, das viele beschleicht?

Dovits: So würde ich das nicht sehen. Ich verstehe, dass es eine sehr emotionale Diskussion ist und dass es Fälle gibt, die zu diesem Eindruck führen. Aber auf die gesamte Unternehmenslandschaft in Österreich trifft das nicht zu, das können wir nicht feststellen. In jedem Bereich gibt es schwarze Schafe, die eine gewisse Emotionalität auslösen, aber auf Basis unserer Untersuchungen sehe ich diesen Zusammenhang nicht, was Sie mit Ihrer Fragestellung implizieren wollen. Nämlich, dass die Geschäftsführer die Unternehmen auf Kosten der Mitarbeiter ausbeuten.

derStandard.at: Welche Rolle für das Gehalt spielt die Wahl des Studiums?

Dovits: Der Arbeitsmarkt ist letztendlich ein Markt, der von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Wenn man sich die Absolventen ansieht, dann haben wir einen sehr hohen Anteil an Sozial-, Wirtschafts- und Geisteswissenschaftlern. Laut Daten der Statistik Austria waren das im Jahr 2010/11 45 Prozent aller Studierenden. Auf der anderen Seite haben wir die Naturwissenschaften und Technik mit 31 Prozent Absolventen. In diesen Bereichen gibt es aber mehr Jobs. Solche Faktoren haben natürlich einen Einfluss auf die Gehälter.

derStandard.at: Laut Ihrer Studie können Absolventen der Ingenieurswissenschaften zum Einstieg mit 40.000 Euro pro Jahr rechnen. Jene der Sozialwissenschaften nur mit 4.000 Euro weniger. Der Unterschied ist jetzt nicht so eklatant, wie man vermuten würde.

Dovits: Das stimmt, und es liegt auch an der Methodik. Wir fragen Unternehmen, wie viel sie für Absolventen dieser Studienrichtungen ausgeben würden. In Betrieben werden nicht so grobe Unterschiede gemacht. Das Mengengerüst kommt hier nicht zum Ausdruck, nämlich dass mehr Techniker als Sozialwissenschaftler gesucht werden. Ganz unabhängig von der Fachrichtung möchte ich betonen, dass sehr gute Absolventen - egal von welcher Studienrichtung sie kommen - sehr gute Chancen am Arbeitsmarkt haben. Da kommt es auf die Noten, die Auslands- und Joberfahrung an, also die klassischen Faktoren, die bei der Rekrutierung eine Rolle spielen.

derStandard.at: Gibt es gravierende Gehaltsunterschiede zwischen den akademischen Graden? Verdient ein Bachelor sehr viel weniger als ein Master oder ein Doktor?

Dovits: Doktoren haben wir nicht erhoben, in der Regel sind das keine Berufseinsteiger. Über alle Fachrichtungen hinweg haben wir bei Universitätsabsolventen beispielsweise ein durchschnittliches Gehalt von 37.000 Euro, bei Absolventen von Fachhochschulen sind es rund fünf Prozent weniger. Im Schnitt haben Bachelor-Absolventen ein um zwölf Prozent geringeres Gehalt als jene mit Masterabschluss. Was sich zeigt, ist, dass Bachelor am Arbeitsmarkt sehr gut reüssieren. Ein Punkt für Unternehmen ist hier allerdings das Thema Mitarbeiterbindung, denn jüngere Absolventen stellen ein größeres Fluktuationsrisiko dar. Sie wechseln das Unternehmen früher.

derStandard.at: Das überbordende Boni-System stand ja in der Kritik, sprich: das Schielen auf Zahlen, ohne den langfristigen Erfolg im Auge zu behalten. Jetzt steigt aber die variable Vergütung wieder, bei Geschäftsführern sind das immerhin 100.000 Euro pro Jahr. Gibt es wieder einen gegenläufigen Trend?

Dovits: Es gibt einen Trend, nicht nur in Österreich, eine mehrjährige Komponente ins Vergütungssystem zu integrieren. Vor allem auf den höheren Führungsebenen. Etwa, dass Ziele gesetzt werden, die über einen einjährigen Planungshorizont hinausgehen und dass Durchschnitte genommen werden. Zum Beispiel die Entwicklung der Kundenzufriedenheit. Hier sehen wir einen Umbruch in Richtung nachhaltiger Vergütungen.

derStandard.at: Sind das Lehren aus der Krise?

Dovits: Die wird hier sicher einen Einfluss bei der Beschleunigung haben. In Krisenzeiten lassen sich Gehaltssysteme manchmal einfacher umgestalten als in Zeiten eines Booms. Den Trend selbst gibt es aber schon länger.

derStandard.at: Wenn man die 100.000 Euro als Maßstab nimmt: Werden die variablen Anteile bei Managergehältern mehr?

Dovits: In Relation zum Gesamteinkommen ja. Die Verbindung zwischen Gehalt und Unternehmenserfolg wird stärker. Eine an und für sich positive Entwicklung, weil das Wohl des Unternehmens bei der Vergütung eine stärkere Rolle spielt als die Position selbst. In der Diskussion existiert immer ein starker Fokus auf die Frage: "Wie viel verdienen Manager?" Diese starke Betonung drängt die Frage in den Hintergrund, wie jemand bezahlt wird. Wenn auf der Managementebene ein nachhaltiges Vergütungsmodell etabliert wird, das die richtigen Kennzahlen misst, nämlich den nachhaltigen Erfolg, von dem auch die Mitarbeiter profitieren, dann ist das eine positive Entwicklung. (Oliver Mark, derStandard.at, 10.9.2013)