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So beweglich wie dieses abgebildete Teil zeigte sich der geborgene Vibrator nicht.

Foto: APA/Ingo Wagner

Gestern hatte ich ein Déjà-vu. "Australier steckte sich zehn Zentimeter lange Gabel in den Penis" - Der Fall sei so ungewöhnlich, dass dieser sogar eine Erwähnung in der aktuellen Ausgabe des Chirurgie-Fachblattes "International Journal of Surgery" gefunden hat.

Ungewöhnlich ist mir diese Geschichte keineswegs erschienen. Vielmehr hat sie mich in meine Zeit im Spital zurückversetzt, denn Ereignisse dieser Art sind im Leben eines Turnusarztes keineswegs eine Seltenheit.

Besonders die Nachtdienste hatten es in sich, speziell Vollmondnächte. Um diese Nächte hat sich keiner gerissen. Nicht nur, weil in diesen Diensten immer viel los war, sondern auch, weil mit den seltsamsten und ausgefallensten Dingen zu rechnen war.

Es surrt

In einer Vollmondnacht, wurde ich um zwei Uhr morgens von einer Krankenschwester in die Chirurgische Ambulanz gerufen. Dort erwartete mich eine äußerst attraktive und charmante Erscheinung. Ein großer Mann mit schwarzen langen Haaren, einem knappen roten Kleid und hochhackigen Schuhen stand vor mir. Im Hintergrund war ein leises Geräusch zu vernehmen. Das Gerät, das sich für dieses Surren verantwortlich zeigte, war der Grund des nächtlichen Ambulanzbesuches, der sich in weiterer Folge als dramatisch erwies.

Ein Vibrator war in den Dickdarm des Patienten geraten. Das wäre an sich keine große Sache gewesen - im Normalfall lassen sich Fremdkörper dieser Art relativ leicht mit chirurgischem Werkzeug, wie einer Zange, entfernen. Problematisch war nur: Das Ding war eingeschaltet und bahnte sich vibrationsbedingt seinen Weg immer weiter nach oben. Meine Bemühungen den Vibrator zu entfernen waren erwartungsgemäß sinnlos und ich wusste relativ bald, dass die Sache vermutlich ernst werden würde.

Verzweifelte Lage

Ich versuchte meine aufkeimende Panik zu verbergen, hatte aber bereits die Vision einer Darmperforation mit anschließender Peritonitis und schwerer Sepsis. Der Patient war indessen gelassen, er präsentierte sich als geborener Alleinunterhalter und bereicherte seine absurde und meine verzweifelte Lage mit großartiger Situationskomik.

Für mich hieß es jedoch handeln. Ein Oberarzt musste her und der zeigte sich über meine nächtliche Ruhestörung wenig erfreut. Dass seine Anwesenheit von Nöten war, erkannte aber auch er sofort. Der Patient wurde notoperiert, das surrende Sexspielzeug in Vollnarkose über die Bauchdecke entfernt.

Abgebrochener Fingernagel

Damit aber noch nicht genug. In derselben Nacht wurde ich noch wegen einer ganz anderen, aber nicht weniger skurrilen Angelegenheit in die Ambulanz zitiert. Ein abgebrochener Fingernagel hatte eine junge Frau dazu veranlasst das Krankenhaus aufzusuchen. Nein, es war kein Blut, Eiter und sonst irgendeine entzündliche Veränderung im Spiel. Es war was es eben war - ein abgebrochener Fingernagel. "Und dafür haben sie mich um vier Uhr morgens aus dem Bett geholt", habe ich die Frau unfreundlich angeschnauzt, sie unverzüglich nach Hause geschickt und mich wieder ins ärztliche Dienstzimmer zur Ruhe begeben. (Regina Walter, derStandard.at, 21.8.2013)