Wien - Der riesige Erfolg von Charlotte Roches Buch "Feuchtgebiete" ist eines der vielen Rätsel des kulturellen Lebens: Ging es dabei eher um sexuelle Befreiung im Zeichen immer neuer Mutproben ("Fifty Shades of grauslich") oder um ein Update von Backfischidealen für eine Generation, der die Erotikformate des Privatfernsehens schon zu bieder sind?

David Wnendt betont in seiner Verfilmung eindeutig den zweiten Aspekt, auch wenn die Sache mit dem Ekel nicht ganz zu kurz kommt - zu Beginn tapst Helen Memel durch eine öffentliche Toilette, wie man sie wahrscheinlich nicht einmal auf dem einsamsten Planeten finden würde. Helen hat Hämorrhoiden, sie zieht sich bei der Intimrasur eine Analfissur zu, muss ins Spital, träumt dort von diversen (Wieder-)Vereinigungen und inszeniert olfaktorische Zumutungen. Zu einer Geschichte fügt sich das nur insofern, als die vielen besudelten Laken letztendlich alle von der heimlichen Leitfarbe erzählen: klinisches Weiß.

Carla Juri ist eine gute Wahl für die Hauptrolle, weil sie den Duktus von "Feuchtgebiete" im Gegensatz zum Buch deutlich weniger abgebrüht klingen lässt - da spricht noch einmal eine junge Frau, die gerade erst ihre Erfahrungen macht und nicht schon mit ihnen hausieren geht. Aber in den Nebenrollen überwiegen die Karikaturen: Meret Becker als esoterisch angehauchte Mutter und Axel Milberg als arg vitaler Vater mag man sich zusammen gar nicht vorstellen, wie Helen sich das aber unbedingt wünscht. Und der Krankenpfleger Robin (weiße Kluft) schreit eigentlich geradezu nach einer Versetzung in die Schwarzwaldklinik (dort kann er dann ewig mit seiner Kollegin in Weiß streiten, der übelsten Klischeetussi, die Wnendt aufmarschieren lässt).

So gibt es in "Feuchtgebiete" keine einzige plausible Figur außer Helen, und damit hängt der Film doch sehr in der dünnen Luft der Schnodderprosa aus dem Buch fest. (reb, DER STANDARD, 21.8.2013)