Wüsste man es nicht besser, man könnte angesichts des Lehrerbilds, das in diesen Tagen medial verbreitet wird, schlichtweg verzweifeln. Im Zuge der Debatten über das neue Lehrerdienstrecht wurde - einmal mehr - alles aufgetischt, was Herrn und Frau Österreicher anscheinend vor Neid erblassen lässt: wochenlange Ferien und in der wenigen Unterrichtszeit dazwischen ein Halbtagesjob, für den die Minderleister auch noch fürstlich entlohnt werden.

Dabei verhält es sich - wer hätte das gedacht? - in Wirklichkeit doch ganz anders. Offenbar will das die Öffentlichkeit aber nicht zur Kenntnis nehmen. Dennoch möchte ich einen weiteren Versuch unternehmen, ein paar Dinge zu relativieren. Hilft's nicht, so schadet's nicht - schlimmer geht eh nimmer.

Das Problem ist: Wo anfangen? Soll ich beteuern, wie viel ich während des Jahres arbeite und deshalb die langen Sommerferien verdiene? Als Lehrerin für Deutsch und Französisch an einer AHS bleibt kaum ein freies Wochenende, auch die Abende sind mit Korrigieren (Schularbeiten, Hausübungen, Lernzielkontrollen) und Vorbereiten meist bis spät nachts gut ausgefüllt. Zu dem kommen zeitaufwändige Projekte, Ausflüge und Reisen, die nicht nur durchgeführt, sondern auch geplant, beantragt, organisiert, abgerechnet und dokumentiert werden müssen. Da sitzt man schon ein Weilchen. Hat man darüber hinaus eine eigene Klasse als Klassenvorstand und/oder einen Maturajahrgang zu betreuen, kommt noch einiges an Zeit- und Energieaufwand dazu. Allein, solche Beteuerungen sind nicht neu. In den Medien aber scheinen sie kein Gehör zu finden.

Bereit zum Hineinknien

Damit Schule funktioniert - und die Schule, in der ich unterrichte, funktioniert geradezu hervorragend! -, bedarf es von Lehrerseite einer unglaublich großen Vielfalt an Engagement, an Organisation, an Teamarbeit, an Ideen, an Fachkompetenz, an Zuwendung, an Zeit, an Bereitschaft, sich "hineinzuknien". Nur wenn all das vom gesamten Kollegium geleistet wird, lässt sich behaupten, dass Schule funktioniert - und zwar trotz der zahlreichen strukturellen und institutionellen Hindernisse und Schwierigkeiten wie die der großen Klassen, der ungeeigneten Schulgebäude, der fehlenden Arbeitsplätze usw.

Die allermeisten Lehrer/innen, die ich kenne, arbeiten während des Schuljahres an der Belastungsgrenze, manche auch darüber. Ein Hinaufschrauben der Unterrichtsverpflichtung für angehende Lehrer/innen bedeutet vor diesem Hintergrund und bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen entweder sinkende Qualität oder mehr Krankenstände - wahrscheinlich sogar beides gleichzeitig.

Ähnliches gilt für die Ferien: Man kann schon über eine andere Verteilung der Ferienwochen reden, wenn es dafür zwingende gesellschaftliche Gründe gibt. Man wird jedoch nicht umhinkommen, Lehrer/innen mehrere Wochen Erholung und Abstand von der Schule am Stück zuzugestehen. Und halbwegs ordentlich bezahlen wird man sie obendrein auch noch müssen - vorausgesetzt, man ist an leistungsfähigen und engagierten Lehrer/innen interessiert.

Genau diese Voraussetzung scheint allerdings gesellschaftlich infrage gestellt. Wenn überhaupt, dann genießen am ehesten "die Praktiker" in den berufsbildenden Schulen den Respekt der latent bildungsfeindlichen Gesellschaft. "Nur-Lehrer", egal ob im Grundschul- oder Sekundarstufenbereich, darf man offenbar geringschätzen. Wobei, wie gesagt, dies in "meiner" Schule nicht der Fall ist.

Viele Eltern unserer Schüler/innen schätzen und erkennen unser Engagement ebenso wie unsere Fach- und Beziehungskompetenz, sie bedanken sich sogar recht häufig dafür (ebenso wie die Schüler/innen selbst im Übrigen). Die meisten Eltern nehmen auch wahr, was wir während des Schuljahrs leisten, und gönnen uns die Erholung im Sommer, ja, sie erwarten sich regelrecht gut erholte, mit frischer Energie und neuen Ideen aufgetankte, ordentlich vorbereitete Lehrer/innen für das neue Schuljahr.

Fördern und fordern

Als Mutter eines schulpflichtigen Kindes ergeht es mir selbst ja auch nicht anders: Ich wünsche mir für die Grundschulzeit eine Lehrerin (oder einen Lehrer), die (der) sich mit Engagement, Sachkompetenz und Freude den Kindern widmen kann, sie fördert und fordert, ihnen die Lust am Lernen bewahrt und ihre Neugier sucht und anstachelt. Und ich wünsche mir für die weiterführende(n) Schule(n) bis zur Matura Lehrerinnen und Lehrer, die den Kindern etwas zu bieten haben, auf fachlicher und menschlicher Ebene, die mehr Bereiche des Lebens "von innen" kennen als nur die Schule, die es schaffen, den Kindern und Jugendlichen auf der Basis ihrer eigenen profunden (Aus-)Bildung Orientierung in der Wirklichkeit (und die Wirklichkeit umfasst natürlich viel mehr als aktuelle Realität!) zu geben.

Um diese Wünsche Realität werden zu lassen - und ich behaupte: in gar nicht so wenigen Fällen ist dieses Szenario schulische Realität -, bedarf es leistungsförderlicher Signale und Bedingungen, die es den Lehrer/innen ermöglichen, vernünftig und gut arbeiten und leben zu können.

Lohnende Aufgabe

Wenn in Kürze an der Pädagogischen Hochschule wieder ein neuer Lehrgang für Unterrichtspraktikant/innen beginnt, darf ich die künftigen AHS- und BHS-Lehrer/innen auf ihrem Weg in die Schule ein Stück weit begleiten, mit ihnen u. a. über die Anforderungen reflektieren, die sie in diesem Beruf erwarten. Eine schöne und lohnende Aufgabe - denn ein wenig meine ich zu wissen, welche Lehrer/innen wir brauchen. Die Frage aber ist: Welche Lehrer/innen wollen Politik und Gesellschaft? (Monika Neuhofer, DER STANDARD, 17.8.2013)