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Für den Menschen der Postmoderne ist die Körperbehaarung nicht selten ein unliebsam gewordenes Relikt menschlicher Evolution. Die Wissenschaft sieht das allerdings anders.

Foto: apa/Austrian Academy of Cosmetic Sur

Rein optisch unterscheidet sich der Mensch von anderen Primaten vor allem dadurch, dass er kein Fell besitzt. Abgesehen von der Scham- und Kopfbehaarung beziehungsweise dem männlichen Bartwuchs ziert unsere Haut heute nur mehr ein relativ weicher Flaum.

Eine weit verbreitete Meinung versucht den Verlust des Fells damit zu erklären, dass der Frühmensch bei der schweißtreibenden Jagd in der afrikanischen Savanne seine Körpertemperatur regulieren musste. - Was die Ausdauer betrifft, ist der Mensch schließlich den meisten Tieren überlegen. Dank nackter Haut und der Fähigkeit zu schwitzen ist so selbst bei stundenlanger Anstrengung für die Kühlung des Körpers gesorgt.

Diese Argumentation mag zwar plausibel klingen, wird aber in wissenschaftlichen Fachkreisen durchaus angezweifelt. "Haare bieten grundsätzlich einmal Schutz vor Kälte und UV-Strahlung. Warum der Mensch - anders als die übrigen Primaten - im Laufe der Evolution weitgehend sein Haarkleid verloren hat, ist aber bis heute eine Streitfrage", meint etwa der österreichische Biologe Franz Wuketits.

Schutz vor Ungeziefer

Kritik an der gängigen Theorie äußern beispielsweise die britischen Forscher Walter Bodmer und Mark Pagel. Ihrer Ansicht nach hat der massive "Haarausfall" beim Menschen vor rund einer halben Million Jahren eingesetzt, um sich besser vor Läusen, Flöhen und anderen Parasiten schützen zu können. Demnach biete die nackte Haut einen Reproduktionsvorteil, da sie hygienischer sei und die Übertragungsmöglichkeiten von Krankheiten reduziere, so die Erklärung der beiden Wissenschaftler.

Indem der Mensch gelernt hat das Feuer zu nutzen und Kleidung herzustellen, war eine flächendeckende Körperbehaarung auch nicht mehr länger notwendig. - Und Kleidungsstücke konnten schließlich leichter und schneller von Ungeziefer gereinigt werden als dies durch die langwierige Pflege des eigenen Fells möglich war.  

Eine unliebsam gewordene Laune der Natur?

Warum wachsen dem Menschen aber nach wie vor Haare auf seinem Körper - vor allem auf dem Kopf, unter den Achseln sowie im Perianal- und Perigenitalbereich?

Besonders das Haupthaar erfüllt noch immer eine Schutzfunktion gegen Sonneneinstrahlung, Kälte und Hautverletzungen. Zudem dürfte die Kopfbehaarung eine Signalwirkung zur Steigerung der sexuellen Attraktivität - besonders von Frauen - besitzen. Was das Schamhaar betrifft, so gehen Biologen davon aus, dass dieses nicht nur schützt und visuelle Reize schafft, sondern auch die Wirkung von Sexualduftstoffen - sogenannten Pheromonen - verstärkt.

Aber wozu der weiche, pigmentlose Flaum, der sich über den gesamten Körper verteilt? Handelt es sich dabei nur um ein nutzlos gewordenes Überbleibsel menschlicher Evolution? - Mitnichten, meinen Isabelle Dean und Michael Siva-Jothy von der Universität Sheffield in Großbritannien: In einem Experiment mit 19 männlichen und zehn weiblichen Studierenden konnten sie zeigen, dass das Vellushaar - aus dem sich im Laufe der Pubertät zum Teil das deutlich kräftigere Terminalhaar herausbildet - weit mehr ist als eine unliebsam gewordene Laune der Natur.

Frühwarnsystem gegen Bettwanzen

Um den Beweis anzutreten, wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zunächst ein Arm rasiert. Danach setzte das Forscherteam Bettwanzen auf die nackten und behaarten Arme der Probanden und beobachtete, wie lange die Tiere herumkrabbelten bevor ihre Mundwerkzeuge zum Biss ansetzten. Die Studierenden mussten während dieser Prozedur wegschauen und sollten jeweils Bescheid geben, wenn sie etwas auf ihrem Arm spürten.

Wie zu erwarten, benötigten die Bettwanzen auf den behaarten Armen länger, um eine geeignete Bissstelle zu finden. Auch spürten die Versuchspersonen das Krabbeln der kleinen Blutsauger auf dem unrasierten Arm eher als auf der glatten Haut. - Aus diesem Ergebnis ziehen die Forscher den Schluss, dass die feinen Körperhaare auch heute noch der Parasitenabwehr dienen.

Wie man die haarige Angelegenheit auch drehen und wenden mag: Schuld hat also immer das Ungeziefer. (Günther Brandstetter, derStandard.at, 30.7.2013)