Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Personenzug mit rund 240 Menschen an Bord entgleiste in Santiago de Compostela.

Foto: EPA/Sxenick

Bild nicht mehr verfügbar.

Laut Angaben des spanischen Fernsehens kamen mindestens 79 Menschen ums Leben, mehr als 140 wurden verletzt.

Foto: APA/EPA/OSCAR CORRAL

Bild nicht mehr verfügbar.

Mögliche Unfallursache war überhöhte Geschwindigkeit in einer Kurve.

Foto: APA/EPA/Corral

Bild nicht mehr verfügbar.

200 Personen waren die ganze Nacht im Rettungseinsatz. Die Bevölkerung wurde zum Blutspenden aufgerufen.

Foto: EPA/Lavandeira

Santiago de Compostela / Granada – "Der Zug ist entgleist. Was soll ich nur machen?", soll einer der beiden Lokführer laut Lokalmedien seinen Vorgesetzten am Telefon noch gefragt haben, bevor der Alcia-Schnellzug mit 190 statt der erlaubten 80 Stundenkilometer aus der Kurve raste. Wie durch ein Wunder überlebten die beiden das schwere Unglück fast unverletzt.

Für viele der 218 Passagiere endete der Unfall Mittwochnacht in einer Tragödie: Bis Freitagfrüh wurden 79 Leichen geborgen, mehr als 140 Menschen wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt, dutzende Menschen gelten als vermisst. Ob sich Österreicher unter den Verletzten befinden, war noch nicht bekannt.

Der folgenschwere Unfall ereignete sich gegen 21 Uhr vor dem Stadtgebiet von Santiago de Compostela, der beliebten Pilgerstadt am Ende des Jakobswegs. Ein Wagon sprang aus den Gleisen, und der gesamte Zug kippte in die Katastrophe.

Apokalyptische Szenen

"Es war die Hölle", sagte Isi­doro Castaño, der wie viele Anrainer vor dem Eintreffen der Rettungswägen zu Hilfe eilte. Überlebende berichteten von einer Explosion und apokalyptischen Szenen, die sie bei der Flucht aus den Wagons, die teils Feuer gefangen hatten, durchlebten. Abgetrennte Gliedmaßen und Leichen lagen auf ihrem Weg ins Freie. Das Innenministerium in Madrid schloss einen terroristischen Anschlag aus, auch wenn Bilder das Attentat auf Pendlerzüge vom 11. März 2004 in Madrid in Erinnerung riefen, bei dem 191 Menschen starben.

Mit den Worten "wie Dantes Inferno", beschrieb Galiciens Regionenministerpräsident Alberto Nuñez Feijoo (PP) den Schauplatz des Unglücks. Es sei der "traurigste Tag seines Lebens", betonte auch Premier Mariano Rajoy (PP), der drei Tage Staatstrauer veranlasste. Neben Staats- und Regierungschefs aus aller Welt gedachte auch Papst Franziskus in Brasilien der Toten. Spanienweit bildeten sich lange Schlangen vor Blutspendezentren, Galiciens Hoteliers stellen kostenlos Betten für Angehörige zur Verfügung, und die Feuerwehr sagte ihren anberaumten Streik ab.

Lohnkürzung bei Verspätung

Von Spaniens Staatsbahn Renfe hieß es, dass der havarierte Zug erst am Unglückstag eine umfassende Inspektion absolviert habe. Renfe kündigte eine umfassende Untersuchung an und warnte vor voreiligen Schlüssen. Die Madrider Ingenieurskammer schließe "menschliches Versagen" weitgehend aus, bei derartigen Katastrophen handle es sich meist um eine Kombination aus Fehlern. Der in den Zügen installierte Fahrtenschreiber soll Klärung bringen.

Auf Twitter wurde kritisiert, dass die Lokführer von Renfe ständig unter Zeitdruck stehen. Ein User postete die Vorlage eines Dienstvertrags, wonach Lokführer einen Teil ihres Lohns verlieren, wenn sie im monatlichen Schnitt verspätet ankommen.

Die defizitäre Renfe muss einen harten Sparkurs fahren: 2013 wird ein 80-Millionen-Euro-Verlust erwartet, zahlreiche Strecken wurden gestrichen. Wiederholt streikte die Belegschaft gegen Stellen- und Gehaltskürzungen. Erst Anfang Juli wurden 500 Mitarbeiter entlassen. (Jan Marot/DER STANDARD, 26.7.2013)