Kein Basketball: Wenn Personal fehlt, ist Zusatzprogramm im Häfen eine Sicherheitfrage.

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Wien - M.* wartet wegen Raubes und schwerer Erpressung in U-Haft auf seinen Prozess. Die Mutter des 17-Jährigen hat am Telefon geweint, als sie in den Medien von einer Vergewaltigung im Jugendtrakt der Justizvollzugsanstalt Josefstadt erfahren hat. "Sie hat gefragt, ob ich eh keinen Blödsinn mache. Ich hab gesagt: nein. Und dass sie sich keine Sorgen machen soll, ich kann mich verteidigen." M. ist schmäler als andere. Er ist aber auch relativ groß, mindestens 1,75 Meter. Und noch größer ist sein Mundwerk.

Er sagt, er habe mit dem 14-jährigen Burschen, der "stiller und langsamer war", Zeit verbracht. "Die anderen haben den gemobbt". Wirklich beschäftigen tut ihn der Vorfall, der in einer anderen Zelle stattfand, aber augenscheinlich nicht mehr - der Bub soll am 6. Mai in einem Haftraum des Trakts 2E im sogenannten Grauen Haus mit einem Besenstil von drei mitinhaftierten, älteren Jugendlichen vergewaltigt worden sein. Andere Inhaftierte, die man jetzt danach fragt, wissen von dem Vorfall teils noch gar nichts.

Dass man auf den "entwicklungsverzögerten" 14-Jährigen achtgeben müsse, war auch Gefängnismitarbeitern kurz nach dem Erstkontakt klar. Man sei wachsam gewesen, habe das Gericht auf Gefahren aufmerksam gemacht, sagen Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe und Gefängnislehrer Wolfgang Riebniger.

Frösteln im Juli

"Man kann aber in keinen Menschen hineinsehen", seufzt Riebniger, zieht den Hemdsärmel hoch und zeigt, wie es ihm, dem Bären, der seit zehn Jahren in der Justizanstalt inhaftierte Schulpflichtige unterrichtet, die Haare aufstellt. Wie unerwartet grausam sich ein inhaftierter Jugendlicher verhalten hat, der ein Jahr lang als "Musterhäftling" galt und von dem man glaubte, er werde den Jüngeren beschützen, macht Riebniger an diesem ersten Julitag frösteln.

Man rede ja untereinander, sei eine gut vernetzte Arbeitsgemeinschaft, bemühe sich redlich, sagt der Sonderpädagoge über die Zusammenarbeit der Betreuer. Inzwischen wartet der Bursche, der wegen bewaffneten Raubüberfalls in U-Haft genommen worden war, auf freiem Fuß auf seine Gerichtsverhandlung. Die anderen Insassen seines Haftraums wurden zum Teil in andere Gefängnisse verlegt. Inzwischen ist auch die Zahl der jugendlichen Inhaftierten im Landl reduziert: 17 waren es am Montag, sonst meist um die 25. Nur noch zu zweit, in begründeten Ausnahmefällen zu dritt sind die Burschen jetzt in Haft. Der größte Haftraum soll zum Gemeinschaftsraum werden.

Traktkommandant Rudolf Svoboda ist seit 39 Jahren im Jugendvollzug tätig und hat schon viel gesehen, was seine Haare, bis auf den angegilbten Schnurrbart, weiß werden ließ. Svoboda nennt erstens die Infrastruktur verbesserungswürdig. Zu wenige Werkstätten, zu lange Wege, aufgrund derer Beamte manchmal eine Stunde lang unterwegs seien.

Zwischen 15 und 18/19 Uhr bedeutet das, dass nur ein Beamter im Trakt 2E verbleibt. Genau genommen muss dieser dann alle Insassen zur Sicherheit in ihre Räume einsperren. Dabei dürften die Inhaftierten - Svobodas zweiter Kritikpunkt - soundso zu wenig auf den Gang, wo sie zum Beispiel Darts oder Computer spielen können. Svobodas dritter Kritikpunkt betrifft das Personal: "Ich habe sehr viele Engagierte, aber die haben auch mal frei." Andere "schaffen" die Jugendlichen aber oft nicht, sagt der Beamte.

Helene Pigl, Leiterin der Justizanstalt, in der am Montag insgesamt genau 1200 Personen in Haft saßen, ist Chefin über 432 Justizwachebeamte. De facto einsetzbar seien dauerhaft aber fast 60 weniger - wegen langer Krankenstände, Karenzzeiten etc. "Die Qualität im Strafvollzug ist besser geworden und von uns wird immer mehr erwartet", sagt Pigl. Dafür sei auch entsprechend Personal nötig. Neben einer Renovierung "ihres" Gefängnisses brauche es auch ein neues Justizvollzugsgebäude - "nicht unbedingt nur für Jugendliche", wie jetzt von vielen gefordert wird. "Aber mit einer separaten Abteilung." (Gudrun Springer, DER STANDARD, 2.7.2013)