Ein Superman wird abgeführt. Der britische Schauspieler Henry Cavill als der neue stählerne Superheld in Zack Snyders Neustart eines Comic-Klassikers: "Man of Steel".

Foto: Warner Bros.

Wien - Wie ein schwarzer Krake mit riesigen Tentakeln schwebt das Raumschiff über der Stadt. Dieses Maschinenmonster weckt Erinnerungen an die dreibeinigen Kampfmaschinen aus Krieg der Welten, und tatsächlich droht der Menschheit erneut die Apokalypse: Außerirdische haben begonnen, die Erde einer Wandlung zu unterziehen, die ihrer Vorstellung und Lebensform entspricht. Dann bliebe nur noch ein Meer aus Totenköpfen wie jenes, in dem der junge Mann im Traum versinkt. Aber noch bevor sein Untergang mit dem der Erde zusammenfällt, gibt es ein Erwachen: Er ist bereit, sich den Invasoren zu ergeben und in die große Opfergeschichte der christlichen Menschheit einzuschreiben.

Man of Steel nennt sich wiederum die Fortschreibung einer anderen Saga, die seit mehreren Jahrzehnten - die Comicautoren Jerry Siegel und Joe Shuster kreierten die Figur des Superman bereits in den 1930er-Jahren - ein eigenes popkulturelles Universum gebildet hat, in das in regelmäßigen Abständen auch die Filmindustrie Ausflüge unternimmt. Dass das jüngste Kapitel dieser Geschichte den Namen des Helden nicht im Titel tragen will, liegt jedoch nicht nur an dessen ohnehin globalem Bekanntheitsgrad.

Es ist auch ein Zeichen der Umdeutung sowie der Abgrenzung gegenüber den zahlreichen Vorgängern, deren blau und rot leuchtendes Kostüm nunmehr einem mattschwarzen gewichen ist. "It's not an S", meint der neue Mann aus Stahl (Henry Cavill) zur berufsneugierigen Reporterin Lois Lane (Amy Adams), als diese mehr über die Bedeutung des Emblems auf seiner Brust wissen will. "On my world it means hope."

Keine Nostalgie mehr

Es geht also um Hoffnung in diesem Film, der deshalb bereits in seiner Ouvertüre alles daran setzt, das Düstere zu betonen. Wir erleben die Geburt des späteren Erdenbürgers Clark Kent auf seinem Heimatplaneten Krypton vor dem Hintergrund eines Infernos und somit als letzte Chance für das genetische Überleben der Bewohner einer dem Untergang geweihten, technoiden Fantasywelt. Kaum hat der Wissenschafter Jor-El (Russell Crowe) seinen heilsbringenden Sohn wie Mose auf die Reise Richtung Erde geschickt ("He'll be a God to them"), steht auch der Implosion Kryptons nichts mehr im Weg. Und so liegt es am überlebenden General Zod (Michael Shannon), mit seinem kleinen martialischen Trupp die Spur nach Smallville, Kansas, aufzunehmen.

Nach Bryan Singers geruhsamem Superman Returns (2006), der auf nostalgische Verklärtheit setzte und wohl deshalb als verunglückt gilt, wollte man bei Warner und dem hauseigenen DC-Comics-Verlag mit Man of Steel offenbar die Zeichen der Zeit erkennen - und glaubte mit Produzent und Autor Christopher Nolan (The Dark Knight) sowie Regisseur Zack Snyder (300; Watchmen) an eine Erfolgsgarantie. In kommerzieller Hinsicht ist das Plansoll nach dem US-Startwochenende jedenfalls erreicht; aber weder klingende Namen noch klingelnde Kassen können über die Schwächen dieses Films hinwegtäuschen.

Nobody wird Superheld

Das betrifft zunächst die verstreuten Rückblenden in die Kindheit des Helden. Dass diese kaum Aufschluss über dessen Innenleben geben, wäre an sich kein Malheur, würde die Frage nach Auftrag und Dasein nicht als zentrales Motiv beansprucht werden. Doch der Nobody, der sich hier vom Wanderarbeiter zum Superhelden mausert, bleibt ein Phantom, womit auch die wichtige Beziehung zu den irdischen Eltern - eindeutig unterfordert: Kevin Costner und Diane Lane - ihre Relevanz einbüßt.

Litten die traumatisierten Helden im Fledermaus- und Spinnenkostüm des vergangenen Jahrzehnts noch schwer unter ihrem psychologischen Ballast, scheint der neue Superman jede Zuschreibung kategorisch abzuwehren. Er leidet weder unter seinem Anderssein noch unter einer unmöglichen Liebe - mit dem Ergebnis, dass sich nicht nur die spärlichen Wortgefechte mit dem bösen Verfolger, sondern auch der Austausch mit Eltern und Freundin in Plattitüden erschöpfen. "The world's too big", jammert der ob seiner Fähigkeiten verunsicherte Schulbub. "Then make it small", weiß die Mutter Rat. Kleine Gedanken für eine kleine Welt.

Spätestens wenn in der zweiten Halbzeit wie schon in Nolans The Dark Knight Rises obligatorisch das wummernde Dauerfeuerwerk losbricht, können Rhythmus und Dramaturgie mit der Computertechnik nicht mehr Schritt halten, zerfällt dieser Film endgültig in seine einzelnen Bestandteile und Szenen, aus denen er aufwändig, aber ideenlos zusammengebaut ist. Und als hätte Nolan aus seiner diesbezüglich fragwürdigen Batman-Trilogie den Schluss gezogen, jede Möglichkeit einer politischen Zuschreibung tunlichst zu vermeiden, erweist sich Superman bei seinem Reboot auch in dieser Hinsicht als Carte blanche. Ein unbeschriebenes Blatt zur möglichst baldigen Fortschreibung. (Michael Pekler, DER STANDARD, 19.6.2013)