"Bei nozizeptiven Schmerzen handelt es sich um eine Gewebeschädigung, bei den neuropathischen Schmerzen sind die Nerven selbst geschädigt. Allerdings treten bei vielen Patienten beide Schmerzarten gemischt auf", betont Schmerzspezialist Wolfgang Jaksch.

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Rückenleiden stehen auch in Österreich an der ersten Stelle bei chronischen Schmerzen.

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In Österreich leiden rund 1,5 Millionen Menschen an chronischen Schmerzen. Für den betroffenen Patienten stellt dieses Leiden eine gewaltige Belastung im Alltag dar, für den behandelnden Arzt eine diagnostische und therapeutische Herausforderung. "Bisher hat man sich in der Schmerztherapie am WHO-Stufenschema orientiert. Der Schmerz wird dabei vorwiegend nach Intensität in drei Therapiestufen eingeteilt, wobei immer die nächsthöhere Schmerzstufe indiziert ist, sobald die Wirkung der aktuellen nicht mehr ausreicht", erklärt Wolfgang Jaksch von der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am Wilhelminenspital Wien.

Nach Meinung des Experten werden dabei allerdings weder pathophysiologische Erkenntnisse, noch pharmakologische Wirkweisen sowie psycho-soziale Aspekte berücksichtigt. "Es gibt heute mehr und mehr Hinweise, dass eine auf die Schmerzursache ausgerichtete Therapie günstigere Effekte auf die Behandlung hat“, betont Jaksch und verweist auf die Mechanismen-orientierte Therapie als neue Perspektive im Management starker chronischer Schmerzen.

Fokus auf schmerzauslösende Mechanismen

Das Schmerzmanagement bei dieser Therapie besteht aus der Erfassung der Symptome und der Behandlung der schmerzauslösenden Mechanismen. "Die Entscheidungen in der Behandlung sollten hauptsächlich von den zugrundeliegenden Mechanismen und nicht nur von der Schmerzstärke abhängen", ist Jaksch überzeugt.

Das Schmerzspektrum reicht von vorrangig nozizeptiven Schmerzen über Mixed-Pain-Zuständen bis hin zu überwiegend neuropathischen Schmerzen. "Bei nozizeptiven Schmerzen handelt es sich um eine Gewebeschädigung, bei den neuropathischen Schmerzen sind die Nerven selbst geschädigt. Allerdings treten bei vielen Patienten beide Schmerzarten gemischt auf", erklärt der Mediziner. Ein klassisches Beispiel dafür sind Rückenprobleme: "Bei chronischen Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates gibt es in den meisten Fällen nicht ausschließlich eine Ursache sondern mehrere Auslöser. Bei Rückenleiden, die auch in Österreich an erster Stelle bei chronischen Schmerzen stehen, gilt: Je stärker der Schmerz, umso eher ist eine neuropathische Komponente dabei", so Jaksch.

"Das möglichst genaue Abklären des ursächlichen Schmerzes ergibt eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Therapiewahl“, betont der Schmerzspezialist. Dies stellt sich jedoch immer wieder als schwierig heraus, da auch die Symptome nicht immer den ursächlichen Mechanismen entsprechen. "Dazu kommen noch psychische und psycho-soziale Kontexte, so dass der Schmerz eine große Auswahl an Ursachen mit sich bringt", so Jaksch.

Kombination von Schmerzmitteln

Derzeit steht noch kein Medikament zur Verfügung, das nozizeptive und neuropathische Schmerzkomponenten gleichermaßen hemmt. Zudem ist ein einziges Analgetikum ist bei chronischen Schmerzen meist nicht ausreichend wirksam.Dazu kommt, dass hohe Einzeldosen oft schlecht vertragen werden und bei einer Kombination von mehreren Analgetika das Nebenwirkungsrisiko steigt."Der Mechanismen-orientierte Fokus auf den Schmerz erlaubt eine differenzierte Wahl mehrerer Substanzen", meint Jaksch und ergänzt: "Jede Schmerztherapie muss an den jeweiligen Patienten ganz individuell angepasst werden, um eine deutliche Schmerzlinderung bei möglichst geringen Nebenwirkungen zu ermöglichen, wobei eine wirksame Behandlung neuropathischer Schmerzen oder Schmerzen mit neuropathischer Komponente in der Regel eine Kombinationstherapie erfordern". (red, derStandard.at, 22.5.2013)